Wer kennt es nicht: Die neue Strategie ist beschlossen, das neue Leitbild formuliert – jetzt muss die frohe Botschaft zurück in die Organisation getragen werden. Was also tun Vorstände, Geschäfts- und Bereichsleitungen in einer solchen Situation? Meist behandeln sie die Neuigkeiten wie andere Informationen auch und verbreiten sie auf den üblichen Kommunikationswegen: Ober informiert Unter, manchmal persönlich, oft über technische Kanäle. Unterwegs durch die Ebenen gibt es dann Auslassungen, Übersetzungsfehler und interessengeleitete Umdeutungen.
Eine Alternative ist das klassische Townhall-Meeting: Möglichst viele Mitarbeiter:innen versammeln sich, und die Chefin verkündet, was zu verkünden ist, wobei Präsentation und Begleitmusik von PR-Profis auf Hochglanz und griffige Botschaften poliert wurden. Keine Frage: Das macht Eindruck, man war dabei und hat die Botschaft von ganz oben empfangen. Alles folgt den Regeln des Showgeschäfts: Die Botschaften sind wohlklingend, begeistern vielleicht und können für Zusammengehörigkeitsgefühl sorgen. Doch auch hier gilt: Die frohe Botschaft bleibt allgemein; die Übersetzung in konkretes Handeln müssen die Mitarbeiter:innen allein übernehmen – Übersetzungsfehler inklusive.
“Sandwich-Kaskade” – bitte was?
Gibt es Alternativen? Natürlich! Zum Beispiel die sogenannte Sandwich-Kaskade. Ihren Namen verdankt diese Diskursstrategie der Tatsache, dass der Kommunikationsprozess wie bei einem Sandwich aufgebaut ist. Auf den ersten Blick ähnelt sie der Kaskade über die Hierarchie: Führungskräfte vermitteln ihren Mitarbeiter:innen die Neuigkeiten in eigens dazu einberufenen Meetings. Allerdings gibt es ein paar wichtige Unterschiede: Es sind immer unmittelbar drei statt zwei Ebenen beteiligt. (a) Die Empfänger:innen der Botschaft, (b) ihr:e Chef:in als Sender:in und (c) ein:e Wichtigmacher:in. Wichtigmacher:in ist die Person, von der der Sender die Botschaft zuvor im gleichen Setting empfangen hat. Die entscheidende Wirkung: Der „Stille-Post“-Effekt der üblichen Kaskaden wird eingedämmt. Die Führungskraft, die ihre Mitarbeiter:innen informiert, wird sich stärker als sonst an die Botschaft halten, die sie selbst erhalten hat. Gefärbte Interpretationen wird sie (zunächst) zurückstellen, riskiert sie doch sonst Interventionen oder zusätzliche Erläuterungen durch die „Wichtigmacherin“. Zur Kaskade wird das Verfahren, weil die Empfänger:innen dieser Runde die Sender:innen der nächsten Runde sind. Die Senderin der Vorrunde ist dann die Wichtigmacherin der nächsten usw. Als Wichtigmacherin kann sie sich schlecht von dem distanzieren, was sie selbst verkündet hat und jetzt als gültig bezeugen soll.
Kommunikation und Diskurse als Schlüssel zum Erfolg
Vor allem aber sind die Meetings einer Sandwich-Kaskade auf Kommunikation statt nur auf Sendung angelegt. Wer nur sendet, überlässt die Übersetzung der Informalität. In der Sandwich-Kaskade sind Diskussionen der Kern der Meetings. Im Idealfall sind es planvoll angelegte und professionell moderierte Diskurse – in jedem Fall aber übersetzt man gemeinsam die Botschaften in konkrete Handlungsorientierung. Was heißt das? Was machen wir damit? Was ist daran schwer? Was handeln wir uns ein? Solche und ähnliche Fragen diskutiert man am besten in kleineren Gruppen. So ist es wahrscheinlicher, dass die Themen und Fragen von allen durchdacht werden. In kleinen Gruppen ist es schwer, sich aufs Zuhören zurückzuziehen – und das ist gut so! Weil die Wichtigmacherin anwesend ist, erfährt sie außerdem gleich, ob ihre Intentionen zu dem passen, was die Umsetzer:innen daraus machen (wollen).
Veränderung braucht Widerspruch und Zweifel!
Natürlich: Das wird dann keine feierliche Verkündigung, sondern eine kontroverse Diskussion. Nur wer seine Vorhaben beerdigen will, hält die Kommunikation darüber still und andächtig. Wer etwas verändern will, muss Widerspruch und Zweifel einfordern. Wo Arbeit geteilt wird, prägen sich zwangsläufig unterschiedliche Interessen, Auffassungen und Bedürfnisse aus. Und eben diese müssen, wenn man Veränderung will, zur Geltung gebracht, d. h. miteinander verhandelt werden.
Genau dies geschieht in den Meetings einer Sandwich-Kaskade: Wenn der Vorstand beschließt, wir wollen mehr Rentabilität, müssen die Ebenen darunter es übersetzen in: mehr Umsatz oder weniger Kosten? Wenn die Antwort Kosten ist, müssen die nächsten Ebenen identifizieren, welche Kosten man wie mit welchen Folgen reduzieren kann. Operativ fragt man, welche konkreten Aspekte betroffen sind und welche nicht. Diese Fragen sind auf dieser Ebene relevant – und auch nur auf dieser Ebene kompetent zu diskutieren. Wer erwartet, dass Vorgaben gleich mitgeliefert werden, überfordert Führungskräfte ohne Not – und geht im Ergebnis zuverlässig über die Köpfe der Mitarbeiter:innen hinweg.
Man braucht beides: Orientierung von den Führungskräften, wo vorn sein soll, UND den Diskurs mit denen, die nach vorn hin arbeiten sollen. Keine Show, sondern Gespräche. Keine bunten Bilder, sondern konkrete Fragen. Das ist manchmal mühsam, nur selten sexy – aber verblüffend wirksam!