Zum Hauptinhalt der Webseite
Vertrieb und Standardprozesse

Was Flugverkehr über guten Vertrieb lehren kann

  • Uwe Rondé
  • Montag, 26. Februar 2024

Verkaufsprozesse sind immer wieder von Umgang mit Unsicherheiten geprägt. Selbst Kundinnen und Kunden, deren Gewohnheiten schon bekannt waren, können noch überraschen. Und oft kommt es auf das eine Quentchen mehr Gefühl für die Situation, den einen guten Gedanken an, was jetzt das überzeugende Argument sein könnte, um aus einer langen, mühseligen Anbahnung ohne Aussicht auf baldigen Vollzug mit einem Mal doch noch den erfolgreichen Abschluss zu generieren. 

Wenn es möglich wäre, Vertriebsprozesse etwas planbarer zu gestalten und sich etwas weniger den Launen des Kunden oder Einkaufs gegenüber ausgeliefert zu sehen, wäre das ein großer Gewinn für den Vertrieb insgesamt. 

Eine Inspiration dazu, wie das gelingen kann, bietet der Flugverkehr – speziell, die Kommunikation. Wer sich mit der Kommunikation im Flugverkehr beschäftigt weiß, dass hier alles nach einem genauen Prozedere funktioniert. Und von diesem kann sich Vertrieb einiges abschauen. 

Team-Kommunikation: Einer ist vor Ort, einer hält die Übersicht 

Zuerst fallen die Parallelen in der Kommunikationsstruktur auf. Im Vertrieb gibt es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die beim Kunden sind und sich persönlich für den Abschluss verantwortlich sehen. Hinter ihnen steht das Office, der Innendienst, die Leitung, das Controlling – die Begriffe sind unterschiedlich, die Funktion gleich: Sie unterstützen den Vertrieb auf dem Weg zum Abschluss und beim effektiven Risikomanagement. 

Im Flugverkehr gibt es diese Kommunikation zwischen Pilot und Air Control: Der Pilot hat die Verantwortung fürs Flugzeug und trifft die Entscheidungen. Der jeweilige Controller versorgt den Piloten mit allen Informationen die er braucht, um das Flugzeug sicher zu bewegen. Es ist kein Ringen ums Entscheiden: Es ist Teamarbeit. Beide halten einander informiert, um bestmögliche Entscheidungen zu treffen. 

Die sichere Landung: Der Abschluss ist gemacht 

Die Kommunikation zwischen Tower und Pilot dient immer einem Zweck: Der Herstellung der sicheren Landung. Wenn es im Flug zu Überraschungen kommt, die das ursprüngliche Ziel außer Reichweite bringen, finden Pilot und Air Control gemeinsam eine alternative Möglichkeit der sicheren Landung. 

Für die Teamarbeit zwischen Vertrieb und dem jeweiligen Kommunikationspartner muss es zuerst eine Einigung darüber geben, was die sichere Landung sein soll. Der Verkauf allein ist noch keine sichere Landung, wenn sich das Gesamtpaket als Minusgeschäft herausstellt. Vorstellbar ist etwa das Abstecken eines Erwartungskorridors, der angepasst wird, je weiter man im Verkaufsprozess kommt. 

Compulsory Reporting Points: Da stehen wir gerade 

Ein Pilot muss an fest definierten Punkten, „Compulsory Reporting Points“ seine Position, Höhe und Geschwindigkeit an den Controller durchgeben. So bleibt die Wiederaufnahme von Kommunikation garantiert, selbst wenn es zwischenzeitlich zu Ablenkungen gekommen sein sollte. Beide Seiten stellen gemeinsam sicher, dass sie weiterhin auf dem Weg zu einer sicheren Landung sind. 

Nun sind die Wege zu einem gelungenen Abschluss zwar insgesamt vielfältiger, als die Möglichkeiten, ein Flugzeug sicher zu landen. Dennoch kann es ein Schritt zu mehr sicherer Kommunikation, weniger Überraschungen und weniger verwirrendem Schweigen sein, wenn auch zwischen Außendienst und Innendienst, zwischen dem Sales-Personal, das sprichwörtlich versucht, den Deal zu landen, und seinen Ansprechpartnern im Betrieb fest verregelte Kommunikation stattfinden MUSS – selbst wenn alles, was es zu sagen gibt, erwartbar und redundant erscheint. 

Digitalisierung im Vertrieb

Die Macht wird neu verteilt

STAR: Wie man üblicherweise zum Ziel kommt 

„STAR“ steht für Standard Arrival Route. Jeder Flughafen auf der Welt hält eine solche, kurze Beschreibung bereit, wie ein Standardanflug aussehen kann, wie die Landebahnen beschaffen sind, ob es Umstände wie Windräder, Berge, Wohngebiete zu beachten gibt. Während der Weg bis zur Landung in der Regel im Autopilot bewältigt werden kann, kommt es fürs letzte Stück wieder auf den Piloten an. Entlang der beschriebenen Parameter bringt er das Flugzeug zum Landen – wenn es zu keinen Überraschungen kommt. 

Weil man es im Vertrieb mit Organisationen, und damit mit Menschen zu tun hat, sind die Verhältnisse nicht ganz so unverrückbar wie die Berge vor einer Landebahn. Es benötigt das Fingerspitzengefühl und die Erfahrungswerte von kompetentem Sales-Personal um auszuloten, ab welcher Summe der Einkauf zuckt, welche Feature für eine Maschine Begeisterung auslösen könnten und was für Pannen kurz vor Unterschriftsetzung nochmal alles gefährden könnten. 

Und doch ist, wenn man auf eine Summe Verkäufen schaut, die durch individuelles Geschick möglich wurden, überraschend viel geübtes, wiederholtes Verhalten. Genau diese Schritte lassen sich als Routinen und Checkpoints festhalten, die übersetzt eine „standard arrival route“ ergeben – die die Person im Vertrieb nun nicht mehr alleine erinnern, sondern unterstützt durch den Innendienst ablaufen kann. 

Missed Approach: Routiniertes Scheitern ermöglichen 

Noch bemerkenswerter aber ist, dass der Flugverkehr selbst fürs Scheitern Routinen vorsieht: Sollte sich andeuten, dass die sichere Landung nicht gelingen kann, vielleicht wegen Windböen oder anderen schwer zu kalkulierenden Außenfaktoren, gibt der „missed approach“-Plan genau vor, wie eine abgebrochene Landung überführt wird, in einen neuen Anflug und einen weiteren Versuch, sicher den Boden zu erreichen. 

Dieses Konzept hat ungemein Potenzial für den Vertrieb: Vor allem, weil es einen produktiven Umgang mit Scheitern ermöglicht. In Sales ist die Kultur derart auf die Darstellung vom Abschluss, der sicheren Landung fokussiert, dass die Überraschung groß ist, wenn trotz anderer Signale der Kunde einen Rückzieher macht. Wenn man sich genau an die Bedingungen hielt, die der Einkauf kommuniziert hat – und es nochmal Bedenken und Rückfragen gibt, die den gesamten Verkauf gefährden können. Das Undenkbare könnte passieren: So viel Zeit, Arbeit, Geld sind kurz davor, fehlinvestiert worden zu sein. Die Landung scheint gefährdet. 

Doch wenn man an der Stelle noch gar nicht alles als gescheitert betrachtet, sondern nur den ersten Versuch, lässt sich die Situation produktiver deuten. Es lassen sich Fragen formulieren und Handlungen definieren, die doch noch zum erfolgreichen Abschluss, und der sicheren Landung führen: Kann man die Maschine um Features reduzieren, und damit auch den Verkaufspreis? Was für zusätzliche Angebote sind möglich – die aber die Mindestmarge auch nicht gefährden?  

Es sind immer wieder ähnliche Aushandlungen, die nach Zögern, Sinneswandel, überraschenden Budgetlimitierungen geführt werden müssen. Also ist es möglich, diese als Prozess, als Checkliste vorbereitet zu haben um für den Fall, das passiert, was nicht passieren darf, dennoch besonnen handeln zu können. 

Statt einem verlorenen Abschluss gibt es am Ende eine Geschichte von der Sorte, wie Vertriebler sie am liebsten erzählen: Wie der Kunde kurz vor Unterschrift noch zurück geschreckt ist, aber kluges und besonnenes Handeln den Deal doch noch perfekt gemacht hat. 

Grenzen einer Analogie: Kunden sind keine Flughäfen 

Wie bei jeder Analogie ist es wichtig, die Grenzen zu wahren, in denen Erkenntnisgewinn möglich ist. Man muss nicht den Kunden mit dem Flughafen, die Landebahn mit Verkaufsvertrag oder die Passagiere mit dem verkauften Gut gleichsetzen um versuchen, weitere Schlüsse für den Vertrieb daraus abzuleiten. 

Es geht vor allem um den Kontrast, zwischen den ergebnisorientierten Programmen des Vertriebs: Das Ziel ist der Abschluss, der Weg dorthin wird vom Vertriebler gebahnt; und den prozessgeleiteten Programmen des Flugverkehrs: Das Ziel ist die sichere Landung, und auf jedem Schritt zum Ziel hilft uns das Protokoll zu gewährleisten, dass wir es auch erreichen. 

Die Idee, Vertriebsarbeit mit Protokollen, Checkpoints und obligatorischer Kommunikation zu bereichern, mag für manche wie ein Horrorszenario klingen, schränkt es doch auch Freiheiten ein, und macht aus aufregenden Abenteuern schlichte Ablaufpläne, die man ihn auch in allen anderen Abteilungen findet. 

In die Richtung, abschließend ein anderes Deutungsangebot: Vielleicht machen es die Routinen und Checklisten gerade möglich, Aufmerksamkeit und Energie in die Überraschungen und Geschehnisse zu investieren, die es wirklich nötig haben. 

Uwe Rondé

Dr. Uwe Rondé

beschäftigt sich mit Vertrieb in seiner Rolle als CEO der Saurer Group, mit Landeanflügen in seiner Rolle als Hobbypilot.

LinkedIn® Profil anzeigen

Du interessierst dich für unsere Themen?

Mit dem VERSUS Newsletter halten wir dich regelmäßig über neue Artikel, Themen und Angebote auf dem Laufenden.