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Der ganz formale Wahnsinn
Formaler Wahnsinn

Der ganz formale Wahnsinn: Was Leser:innen erlebt haben

Was ist der letzte formale Wahnsinn, der unseren Leser:innen begegnet ist? Wir haben nachgefragt.

Warum berufen Leute Meetings zu Themen ein, die sich per E-Mail erledigen ließen und beschweren sich dann, dass sie so viele Meetings haben? Wieso halten Mitarbeitende an kräftezehrenden und allseits verhassten Prozessen fest, obwohl eine schlanke und einfache Lösung bereitsteht? Und warum dauert es immer ewig, bis Probleme die nörgelnde Kommunikation verlassen und auch mal konstruktiv und zielführend besprochen werden? Auf diese Fragen gibt es im neuen neue Buch von Prof. Stefan Kühl, „Der ganz formale Wahnsinn“ Antworten.

Wir haben unter den Abonennt:innen unseres Newsletters einige Exemplare des Buches verlost, im Tausch gegen eine Geschichte von formalem Wahnsinn, den sie selbst erlebt haben. Einige der unglaublichen, witzigen, haarsträubende Einsendungen möchten wir hier mit euch teilen.

„In meinem Arbeitsbereich gibt es eine eigene kleine Verwaltung, die auch für Personal zuständig ist. Es wäre eine Erleichterung, wenn unsere Verwaltung eine dringliche Stellenbesetzung vornehmen könnte. Sie darf aber weder Stellen ausschreiben, noch besetzen, dies darf nur die Personalabteilung in unserer Hauptstelle, welche mir nun mitteilt, dass Zuständigkeiten gewechselt haben, und ein bestimmter neuer Mitarbeiter für unseren Bereich zuständig sei, nur noch er. Dieser Mitarbeiter ist neu eingestellt worden und arbeitet sich ein. Er antwortet mir auf meine Bitte, die Stellenausschreibung zu veröffentlichen – von mir bereits fertig geschrieben und zugesandt – seit über einer Woche nicht. Ich bin pädagogischer Leiter eines ganzen Bereichs, mit einer eigenen kleinen Verwaltung, ohne dringend benötigte neue Mitarbeiter, wegen Fachkräftemangels und wegen des ganz formalen Wahnsinns.“

„Mein schönes Beispiel für organisations-strukturellen formalen Wahnsinn: Ich arbeite in einer IT-Beratung, die Softwaretools auch mal schnell selbst schreibt, bevor sie Geld und Energie dafür ausgibt, den Markt nach etwas passendem zu durchsuchen. Wir nutzen eine Arbeitszeiten-Übersicht, die Arbeitszeiten aus einer Zeiterfassung übernimmt, diese in Zeitstunden und Zeitminuten darstellt, aber in Industrieminuten rechnet. Alles fein, bis es zur Ermittlung des Jahressaldos geht: der wird in Zeitstunden und -minuten ausgelesen, von Hand in Industrieminuten umgerechnet und so ins neue Jahr vorgetragen, damit das Tool das alles in Zeit-Zeit umrechnet und den Mitarbeitern korrekt anzeigt. Das ist nur 1 winzig kleines Beispiel, kommt nur 1 x im Jahr vor, ist aber ein wunderhübsches Beispiel dafür, wie sich eine Art zu denken und an Aufgaben heranzugehen, praktische Auswirkung auf einen anderen Arbeitsbereich haben kann.“

„Unsere unternehmensweiten formalen Genehmigungsprozesse z.B. im Hinblick auf die Genehmigung einer neuen Stelle benötigen schnell mehr als 10 Genehmigungen – für eine neugeschaffene ‘SG&A’ Stelle geht der Genehmigungslevel bis zum globalen ‘Group President’ unserer Business Unit. D.h. der 2-ten Ebene unter dem CEO eines Unternehmens mit 80.000 Beschäftigten. Seit Jahren ist es nicht gelungen in der gelebten Unternehmensmatrix und einem ausgeprägten Kostendenken diesen bürokratischen Ansatz einzuhegen.“

„Ich war Mitarbeiter eines relativ kleinen, jungen Unternehmens und wir hatten zum Zweck des Projektcontrollings ein sogenanntes Time-Sheet eingeführt, in dem eingetragen werden sollte, wann man wöchentlich über welchen Zeitraum für welchen Kunden gearbeitet hatte. – Macht ja Sinn. Die Datei war ziemlich aufwändig auszufüllen, weil man zur Vereinfachung der Auswertung ziemlich unintuitive Projekt- und Tätigkeitsnummern eintragen musste. Das Ganze hat jeden Freitag ziemlich viel Zeit in Anspruch genommen, jeder Mitarbeiter hat es gehasst. Nun hatte ich meine ersten acht oder neun Formulare ausgefüllt und mein Chef kam zu mir und sagte: „Das geht so nicht“ Ich: „Was habe ich falsch gemacht?“ Er: „Grundsätzlich nichts, das Problem ist nur, Du kommst hier regelmäßig auf um die 50 Wochenstunden. Da bekommen wir langfristig Probleme mit der BG.“ Ich: „Was wollen wir denn dann tun?“ Er: „Hör einfach bei 42 Wochenstunden auf.“ Ich: „Aber das führt das Sheet ad Adsurdum. Wie wäre es, ich kürze alle Zeiten anteilig, dann haben wir wenigstens noch den Überblick, welche unserer Kunden anteilig den größten Aufwand erzeugen.“ Er: „Nein, hör einfach bei 42 Stunden auf.“ Ich: „Aber dann macht das doch keinen Sinn.“ Er: „Mach es bitte so.“ – in einem Unternehmen mit sieben Mitarbeitern.“

„Ich arbeite in einem Museum und betreue auch den Freundeskreis. Unser Prokurist bat mich in sein Büro, um mir mitzuteilen, dass ich in der Mitgliederliste Straßennamen falsch geschrieben hätte. Etwas verdutzt frage ich genauer nach. Ich habe bei einem Straßennahmen den Bindestrich vergessen. Zurück am Schreibtisch guckte ich in die Liste, er hatte mir den einen Straßennamen gelb markiert mit der Bitte um Rücksprache. Soviel Zeit und Energie für einen Bindestrich!“

„Bei uns werden aktuell digitale Reisekostenabrechnungen erprobt. Nach der digitalen Beantragung einer Dienstreise ist somit auch die digitale Abrechnung, d.h. Abgabe aller Belege, möglich. Das ist wunderbar – wenn man nicht parallel alle Belege auch noch mal drucken und per Hauspost versenden muss. Besonders spaßig ist das bei Bahntickets – alles geht mittlerweile digital, nur der Sicherheit halber muss dann schlussendlich das Ticket doch noch mal gedruckt werden.“

„Der letzte formale Wahnsinn, dem ich begegnet bin, ist, dass dieselben Leute sich über zu viele Meetings beschweren, die per E-Mail erledigt werden könnten, die auf E-Mails nicht antworten, weil sie zu viele E-Mails bekommen und lieber kurz das Thema besprechen würden, statt Zeit in die Beantwortung von Mails zu stecken.“

„Ich begegne immer wieder dem Phänomen der Verantwortungsdiffusion. Ich arbeite in einer Matrixorganisation und da scheint es leicht zu fallen, immer gerade nicht verantwortlich zu sein und eine wichtige Entscheidung nicht treffen zu können.“

„Mein ganz persönlicher formaler Wahnsinn ist die schnöde Erkenntnis, dass Schauseiten in Krisenzeiten doch eigentlich an Relevanz verlieren sollten, weil es um das nackte Überleben (in) einer Organisation gehen kann.  Was ich jedoch entdecke, ist, dass die lokalen Rationalitäten irgendwann anfangen, an den eigenen Schauseiten nicht nur zu knabbern und sie auszuhöhlen, sondern gleichzeitig an anderen Stellen richtig schöne weitere Aufkleber auf die Schauseite bappen. Diese Klebepunkte machen die Schauseite(n) dann schön stabil und schwer. Und irgendwann weiß niemand mehr, was eigentlich vor lauter Aufklebern zu sehen war. Man könnte behaupten, eine Tine Wittler dekoriert Schauseiten und versucht sie gleichzeitig beim perfekten Promidinner einzukochen. Das geht doch gar nicht.“

Hier geht es zum Buch:

Der ganz formale Wahnsinn
111 Einsichten in die Welt der Organisationen
Der ganz formale Wahnsinn

Stefan Kühl beschreibt in seinem Buch, wie es zu dem ganz formalen Wahnsinn in Organisationen kommt und zeigt Absonderlichkeiten auf.