Ist eine Fusion zweier Organisationen gerade erfolgreich über die Bühne gebracht worden, schwärmen die fusionierten Organisationen von den sich ergebenden Einsparungsmöglichkeiten. Schaut man sich die Entwicklung jedoch zwei oder drei Jahre später an, so sind die Zahlen häufig nicht so rosig wie erhofft.[1] Ketzerische Stimmen behaupten gar, dass der Einbruch nach einer Fusion genauso sicher kommt wie das Amen in der Kirche – eine Ketzerei, die zunehmend durch wissenschaftliche Studien über das Scheitern von Fusionen untermauert zu werden scheint.[2]
Fragt man die klassische Organisationslehre, weswegen bei nicht einmal der Hälfte der Unternehmenszusammenschlüssen der Shareholder-Value über dem Branchendurchschnitt liegt, hört man die immer gleichen Antworten: Bei internationalen Fusionen seien die kulturellen Unterschiede nicht beachtet worden. Es gäbe zu Beginn der Fusion viel zu viele unnötige Richtungsdiskussionen, weil die Grobstrategie anfangs nicht klar genug sei. Die Chemie zwischen den Topführungskräften würde häufig nicht stimmen und von der hinge gerade in der Anfangsphase viel ab. Bei der Besetzung von Führungspositionen fehle es viel zu häufig an der Konsequenz. Man schrecke zu sehr vor tiefen Einschnitten zurück.[3]
Fusionen werden nicht in Frage gestellt
Auffällig ist, dass bei diesen Erklärungen die Probleme in den handwerklichen Fehlern gesehen werden, das Instrument der Fusion selbst aber nicht in Frage gestellt wird. Insgesamt handelt es sich um eine Art der Problemdiagnose, die den betriebswirtschaftlich orientierten Beratungsunternehmen neue Wachstumschancen verspricht. Nicht mehr nur Beratung vor und während der Fusion, sondern auch danach. Nur durch ein effektives „Post-Merger-Management“, so die Suggestion, könne man all die kostspieligen Fehler vermeiden.
Das unkritische Akzeptieren der Fusion als Lösung für viele organisationale Probleme ist überraschend, weil es ein entgegengesetztes Managementprinzip gibt, das ähnlich populär ist wie die Fusion: „Small is beautiful“. Unter Begriffen wie „Konzentration auf das Kerngeschäft“, „Verschlankung der Organisation“ und „Outsourcing“ wird genau das Gegenteil von Wachstum propagiert. Für diese Schrumpfungsargumente spricht mindestens so viel wie für die Größeneuphorie, die in regelmäßigen Zyklen auf dem Merger- und Akquisitionsmarkt herrschen.
Es liegt nahe, Erklärungen für die Fusionseuphorie zu finden, die nicht den Kosteneinsparungs-, Synergie- und Weltmarktabdeckungsparolen folgen, die während eines Firmenzusammenschlusses aus den Konzernzentralen ausgegeben werden müssen: Haben wir es vielleicht mit einer Verselbständigung des weltweiten Börsengeschehens zu tun, in dem es nur noch zweitrangig auf Gewinne und Verluste ankommt und stattdessen die „Fantasie“ der Händler, die Börsenwerte ökonomisch häufig auf wackligen Beinen stehenden Firmen in so astronomische Höhen treibt, dass diese gestandene und ökonomisch gesunde Großunternehmen übernehmen können? Haben wir es eventuell mit Konzernvorständen zu tun, die durch die Etablierung von selbständigen Business Units so unterausgelastet sind, dass sie im Bereich der Merger und Akquisition ein neues Betätigungsfeld gefunden haben, welches gegenüber ihren dezentralen Einheiten auch noch ein Bedrohungspotential enthält?
Eine Alternative zur Vernetzung von Organisationen
Ein Blick auf die Vorgeschichte von Fusionen zeigt, dass diese sehr häufig Reaktionen auf die Schwierigkeiten des Managements waren, ein anderes populäres Managementkonzept erfolgreich umzusetzen: Das Netzwerk. Die Produktions-, Entwicklungs- und Vertriebsnetzwerke zwischen eigenständigen Unternehmen wurden lange Zeit als Erfolg versprechender angesehen, als die Einbindung aller Einheiten in ein großes Unternehmen.
Netzwerke basieren auf stabilisiertem Vertrauen zwischen den beteiligten Partner – und genau darin besteht das Problem. Im Gegensatz zu Hierarchien oder Märkten sind reine Vertrauensbeziehungen sehr anfällig. Sie ist stark abhängig von persönlichen Kontakten. Deswegen stellt ein umfassender Personalwechsel bei einem Netzwerkpartner häufig eine Belastung dar.
Die Verlockung für die beteiligten Partner ist groß, in den Vertrauensbeziehungen die eigene Position zu stärken und im richtigen Moment das Netzwerk für einen einseitigen, häufig kurzfristigen Nutzen zu missbrauchen. Die betroffenen Partner haben keine andere Sanktionsmöglichkeit, als sich aus dem Netzwerk zurückzuziehen. Es entsteht eine Misstrauensspirale, die zur Auflösung des Netzwerkes und der Rückkehr zu reinen Marktbeziehungen führt.
Fusionen und Unternehmenseinkäufe scheinen die Reaktion auf diese Schwierigkeit von Netzwerken zu sein. Statt der labilen Vertrauensbeziehungen wird wieder auf klare Mitgliedschaftsregeln gesetzt. Ein Unternehmen, mit dem man vorher in einer Entwicklungsgemeinschaft locker kooperiert hat, ist nach dem Aufkauf wesentlich besser zu kontrollieren, zu steuern und zu beeinflussen. Statt Kooperation gleichberechtigter Partner herrscht wieder das klare Prinzip „Ober schlägt Unter“. Die Machtverhältnisse sind geklärt und Vertrauen braucht nicht mehr die gleiche Rolle zu spielen.
[1] Siehe dazu Mats Alvesson: The Triumph of Emptiness. Consumption, Higher Education, and Work Organization. Oxford, New York 2013, S. 109.
[2] Siehe dazu Thomas Hoebel: Träge Fusionen. Das Problem der Organisationsvergessenheit. In: Stefan Jung, Thomas Katzenmayer (Hrsg.): Fusion und Kooperation in Kirche und Diakonie. Göttingen 2014, S. 127–143.
[3] Siehe dazu René Olie: Shades of Culture and Institutions-in International Mergers. In: Organization Studies 15 (1994), 3, S. 381–405.