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Organize Podcast

#16 Der Traum der Buchhaltung? Blockchain in Organisationen

  • Kai Matthiesen
  • Sophia Rödiger
  • Donnerstag, 12. Mai 2022

Was macht Blockchain mit Organisationen? Wie verändert es die Kommunikation, die Bedingungen für Finanz­transaktionen? Darum geht es in dieser Folge von organize. Zu Gast ist Sophia Rödiger, CEO und Mitgründerin von bloXmove, einem Startup, dass eine Vernetzungsplattform für Mobilitätsunternehmen entwickelt.

Zusammen mit Kai Matthiesen, Geschäftsführer und Partner bei Metaplan diskutiert sie wie Blockchain für ein-eindeutige Kommunikation sorgt – aber auch welche Tücken die Technologie für Fragen von Anonymität und Transparenz hat.

Moderiert wird das Gespräch von Andreas Hermwille.

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Skript zum Gespräch

Andreas:

Sophia, ich schlage vor, wir fangen damit an, eure Organisation zu verstehen: Euer Ziel ist es, Mobilitätsunternehmen zu vernetzen. Also zum Beispiel die Deutsche Bahn, den Anbieter vom Stadtbus und E-Scooter, so dass es für Fahrgäste möglich wird, bei einem Anbieter ein Ticket zu kaufen – und es dann aber überall nutzen zu können. Diese Vernetzung, die geht jetzt anscheinend nur mit Blockchain. Erstens warum, und: habe ich das richtig verstanden?

Sophia: Großartig. Wir können wieder aufhören, würde ich sagen.  (lacht)

Ich würde es vielleicht noch mal so ein bisschen ergänzen und an der einen oder anderen Stelle vielleicht schärfen. Warum braucht es dafür jetzt Blockchain? Bei Blockchain reden wir hier von der Distributed Ledger Technologie, dem geteilten Hauptbuch. Und was passiert da? Jede Partei – Die Deutsche Bahn, Ein E-Scooter- oder Bike-Anbieter, haben Knoten in diesem gemeinsamen Netz von Transaktionen. Immer wenn diese kommunizieren, werden Daten versendet. Das können Personendaten sein, aber auch Werte im Sinne von Buch werten.

Das Coole ist jetzt: In dieser Netzwerk Infrastruktur – und wir reden über Hintergrund-Technologie, nicht über das was du im App Store runter lädst – über diese Struktur können wir Transaktionen

  1. komplett verkrypten, also verschlüsseln, absolut sicher machen
  2. und dann auch noch automatisiert miteinander kommunizieren lassen, ohne dass irgendjemand drücken muss, was verschicken muss, oder eine Prüfinstitution dazwischen ist wie eine Bank.

Die Leistung der Infrastruktur ist vergleichbar zu Daten-Roaming.

Wir verbinden verschiedene Transportanbieter im Hintergrund, damit sie am Ende so eine Art von Roaming anbieten können. Was wir vom Handy mit dem Daten-Roaming kennen, ist eine perfekte Analogie dafür. Denn wenn ich jetzt in Portugal unterwegs bin, mache auch nicht jedes Mal einen neuen Handyvertrag vor Ort. Sondern – aufgrund der Vernetzung der Verträge – im Hintergrund, kann mein lokaler Anbieter erkennen: Ja, ich darf auch Daten-Roaming in Portugal nutzen. Und so ähnlich kann man sich das jetzt mit Mobilität vorstellen.

Ihr habt eure lokale App, und geht jetzt aber zum Beispiel mich besuchen in Stuttgart. Dann könnt Ihr mit eurer lokalen Bus-App hier unten den Stuttgarter Stella-Roller zum Beispiel öffnen und losfahren, ohne Anmeldung, ohne Führerschein hinterlegen. Das ist alles schon passiert vorher.

Der Clou liegt in den gesunkenen Transaktions­aktionen.

Kai: Lass mich kurz ergänzen Also diese Distributed Ledger Technologie, die verteilte Buchhaltung, ist ja so, als man wenn eine Bombe in die zentrale Buchhaltung wirft, und plötzlich explodiert alles. Die Daten sind redundant in der ganzen Welt vorhanden.

Der Clou liegt doch darin, dass die Transaktionskosten, also die Informationsübermittlung, all die Dinge, die man machen muss, um Verträge, vielfältige kleine Mini-Verträge für Centbeträge zu machen – dass die alle hoch automatisiert sind. Und dass das alles in dieser dezentralen Buchhaltung sich wiederfindet, sodass jeder darauf zurückgreifen kann. Ist das so richtig?

Sophia: Das ist korrekt. Und du sagst da was ganz Wichtiges, Kai, nämlich diese kleinen Beträge. Wir reden über Bereiche wie 1,29 Euro für eine Scooter-Fahrt. Wenn man sich das in diesem Netz vorstellt, dann wäre das ein riesiger Adminstrationsaufwand, schickte man sich noch Rechnungen hin und her. Das rechnet sich überhaupt nicht. Aber wenn wir das jetzt im gemeinsamen Buch denken, dann müssen wir dieses „Rein raus“ von Rechnungen gar nicht mehr tun, weil alle Knoten wissen ja zu jeder Zeit bescheid. Die Werte sind in Echtzeit ausbalanciert. Also du sparst ja eine Menge an Administration, an Zeit und dann auch an Kosten. Und das ist eigentlich der Clou.

Es ist kein Ersatz für bisherige Buchhaltungs­systeme.

Was wir aber nicht machen: Ich löse jetzt nicht mit bloXmove komplett die SAP-Welt oder Oracle Welt der Unternehmen ab. Ganz im Gegenteil. Wir ziehen eigentlich einen Netzwerk-Layer darüber, wie eine Schicht, wo die anderen jetzt miteinander verbunden sind. Die Unternehmen haben natürlich ihr eigenes Kunden Managementsystem oder ihr Buchungssystem. Denn am Ende gibt es ja auch ein paar rechtliche Regeln, dass man auch noch mal was in seinem eigenen Buch eingetragen haben muss.

Kai: Wobei aber durch die Verschlüsselung der Daten hat das ja nichts mehr zwingend mit der Person zu tun. Also da kauft jemand ein Ticket, aber er sagt nicht, „ich bin Kai“, sondern der sagt irgendwas, was nicht zusammenzubringen ist mit der Person. Insofern werden eure CRM-Systeme oder die CRM-Systeme eurer Kunden da ein kleines Problem bekommen, weil sie diese Daten nicht zusammenkriegen.

Sophia: Das könnte auf jeden Fall nochmal ein Schritt werden, der Entwicklungsaufwand auf der Partnerseite bedarf. Denn die Kunden haben sozusagen dann in ihrer Wallet einen verkrypten Code, also eine lange Adresse, die nicht mehr mit Klarnamen und Co 1:1 zusammenzuführen ist. Das ist ja das, was man mit der dezentralen Identität oder selbstbestimmte Identität wieder mehr erreichen möchte: die eigene Bestimmtheit über die Identität. Aber das ist Fall noch mal ein anderer Punkt als die Abrechnung, die wir gerade besprochen haben. Ich bin da völlig bei dir. Es sind nur unterschiedliche Ebenen, die man auf der Ebene der Daten da diskutiert.

Über welche App gebucht wird, soll keine Rolle mehr spielen.

Andreas: Ich möchte ganz kurz einen Zwischenschritt einschieben für die Leute, die vielleicht bei der Geschwindigkeit nicht mitgekommen sind. Ich spreche da auf gar keinen Fall von mir. Und zwar ich dachte mal, euer Clou wäre, ihr wärt das neue Lieferando. Aber das ist ja gar nicht der Clou, nicht wahr? Also, ihr ersetzt nicht 700 verschiedene Apps. Ich werde weiter 700 verschiedene Apps eventuell brauchen oder zumindest, haben können?.

Sophia: Du sagst es. Du brauchst sie de facto nicht mehr –

Andreas: Wenn alle Verkehrsunternehmen bei euch mitmachen würden.

Sophia: Genau, wenn die sich alle vernetzt haben. Dann hättest du diese Roaming-Idee mit deiner einen App, die du halt immer gerne nutzt. Es muss am Ende nicht mal mehr Mobility Apps sein. Vielleicht ist es die App deines Lieblingsortes, oder dem Hotel oder von irgendwelchen Reiseanbieter. Selbst Fußballvereine gehen da langsam in so eine Richtung, diese Roaming-Idee zu denken. Eventuell werden also einmal ganz andere Apps der Einstiegspunkt in eine Reise sein. Du musst dir dann nicht mehr alle 700 Apps herunterladen – es kann sie aber weiterhin geben.

Blockchain nüchtern als Werkzeug betrachtet

Andreas: Wir kommen jetzt wieder zu Buchhaltung, weil ich glaube, das ist quasi das Besondere an Blockchain. Und wir können dem Hype um das Wort etwas entgegensetzen, indem wir sagen: Es geht um Buchhaltung. Das macht das Ganze vielleicht ein bisschen nüchterner und stellt vielleicht das Werkzeug nach vorne.

Kai, du hast gerade schon von davon gesprochen. Das ist doch jetzt für die Organisation das Besondere, oder? Diese Art von eindeutiger Vertragsfreiheit, Weitergabe von Identitäten von einem zum anderen, ohne dass, ohne dass es Reibungsverluste gibt. Ist das nur der Traum für die Buchhaltung oder ist es für eine gesamte Organisation interessant, so etwas tun zu können?

Kai: Also für die Buchhaltung ist es erst mal ein totaler Traum, dass man eineindeutig weiß, was da passiert und dass es keine Doppelbuchungen gibt oder Reisebelege, die man doppelt einreichen kann bei zwei verschiedenen Firmen. Für, alles was man von der Buchhaltung kennt – dass man versucht, die Fehlbuchungen wieder raus zu bekommen.

Also in Konzernen, da versucht man zwar fast-closing zu machen, aber am Ende des Jahres ist man trotzdem wochenlang damit beschäftigt, die Ungenauigkeiten aus der Buchhaltung zu bekommen. Und Blockchain schafft ja diese Ein-eindeutigkeit. Es gibt nur einen Identifier und der ist es dann und sonst nichts. Und alles andere ist nachvollziehbare Geschichte. Das wäre schon der Traum von der Buchhaltung.

Das wirklich Interessante an Blockchain ist die Transaktionskostensenkung.

Aber damit hört es ja nicht auf. Damit kann man auch die Währungen schaffen. Denn jetzt habe ich etwas Eindeutiges und messe dem einen Wert bei, oder dem wird über Marktmechanismen ein Wert zugemessen. Dann habe ich etwas, woran ich mich festhalten kann. Und das Interessante daran ist dann die Transaktionskostensenkung. Dazu gibt es von Oliver Williamson die Tranksaktionskosten-Theorie, für die er damals auch einen Nobelpreis bekommen hat.

Die besagt: Wenn eine Firma es schafft, die Transaktionskosten – also die Kosten, die man braucht, um etwas zu machen, einen Vertrag zu schließen, eine Ware zu übergeben. Wenn man diese Kosten innerhalb des Unternehmens geringer hält als der Markt rundherum. Dann ist es sinnvoll, eine Organisation zu machen, ein Unternehmen. Und wenn die Transaktionskosten des Marktes geringer sind, dann wird das Unternehmen wieder kleiner. Dann hat man Transaktionskosten, die auf dem Markt billiger sind.

Und was Blockchain jetzt macht: Es senkt brutal die Transaktionskosten, weil fast alles automatisiert ist. Und damit ist eigentlich gar nicht mehr klar, wo die Grenze zwischen Organisation und Markt ist. Das zeigt auch euer Beispiel. Ihr arbeitet mit ganz vielen verschiedenen Organisationen zusammen, die quasi marktüblich agieren, aber [auf eurer Plattform] in einem von euch definierten Rahmen mit Spielregeln, die ihr vorgebt.

Und diese Spielregeln, die tickern einfach vor sich hin, die machen einfach. Da muss sich keiner drum kümmern. Und dieses quasi transaktionskostenfreie Gut ist sehr spannend. Ihr werdet noch mal den Finger dazwischen halten ein bisschen was abschöpfen, das ist ja euer Geschäftsmodell. Also gehen die Transaktionskosten ganz runter und dann ein kleines Stück wieder rauf damit, damit ihr auch was davon habt.

Und dieses Spiel ist so interessant, weil es so eine Form ist zwischen Organisation und Markt. Ich würde sagen, es ist trotzdem noch Organisation, weil es ja doch zwar smarte Verträge sind. Aber es sind ja doch Verträge. Man findet sie so zwar nicht in Formen von GmbH und Limited oder Joint Venture wieder, es ist etwas dazwischen. Früher hätte man Netzwerkorganisation gesagt.

Sophia: Exakt, es kommen auch Gedanken an Genossenschaften, Vereine, Stiftungen – aber auch eine Vermischung von allem. Aber Du hast das wirklich auf den Punkt gebracht: Die eigentliche Schönheit in dem Ganzen ist vor allem diese hohe Automatisierung. Und dann wird es immer spannender, wenn wir alle, mit diesen digitalen Identitäten ausstatten können, Kunden und Firmen, Fahrzeuge und Ladesäulen, und die alle vollautomatisiert miteinander kommunizieren. Da ist der eigentliche Charme drin, in diesen großen neuen Ökosystem-Designs, die man dadurch entwerfen kann.

Dezentrale Vernetzung – oder zentralisierte platform economy?

Andreas: Aber wenn es darum geht zuzulassen, dass die eigene App quasi irrelevant wird, dann gibt man doch als Organisation einiges auf. Sich einzulassen auf diese Art von Plattformdenken ist doch davon abhängig, dass man damit zurande kommt, dass man vielleicht gar nicht mehr der Spielplatz ist, wo sich UserInnen und User einloggen, sondern dass der Anfang einer Journey quasi auf anderen Plattformen stattfindet und man nur noch vom Geld was sieht.

Sophia: Ja, aber es wird wieder ein Wettkampf. Jetzt gerade hast Du das Thema: Wer setzt sich vorne hin? Das sind die stark finanzierten Free Nows und Ubers dieser Welt, die alle aggregieren, alles schlucken, sich das teuer bezahlen lassen und am Ende die Schnittstelle klauen. Das heißt, die Anbieter von Mobilität haben jetzt gerade schon den Schmerz.

Sie holen sich so [mithilfe der Plattform] die Neutralität wieder etwas mehr zurück und können selber wieder mehr, Mitspieler mit ihrer App werden und auch noch Services von anderen mit anbieten. Am Ende gewinnt Der- oder Diejenige, die die beste App macht, den besten Service anbietet. Und deswegen würde ich gar nicht so sagen, dass da die Angst gerade drinsteckt. Ganz im Gegenteil. Für den öffentlichen Nahverkehr etwa ist die große Angst eher, die Macht abzugeben an die ganz großen, gerade auch noch oft US-amerikanischen App-Anbieter. Unser Plattform Gedanke greift ja ein bisschen woanders. Wir sitzen im Hintergrund und sind eher eine Netzwerk-Untergrundstruktur, auf der andere ihre Lösungen bauen.

Kai: Mit einem Zahlsystem-Monopol.

Sophia: So kann man vielleicht ein bisschen so sagen. (lacht)

Funktioniert das System nur, wenn es nur eine Plattform gibt?

Kai: Das ist ja die kleine Paradoxie dabei. Das hört sich ja alles so gut an: Man bekommt den kleinen Zugang zu diesem Zahlungssystem und alle können mitspielen. Aber letztlich seid ihr doch ein ganz klassisches Plattform Economy Geschäftsmodell. Das heißt, Ihr würdet versuchen die Mobility-Plattform zu sein, auf der solche Zahlungsvorgänge laufen. Wenn wenn es davon drei oder vier gibt, dann ist das Spiel eigentlich schon wieder tot, weil einzelne Anbieter sich mit vielen vernetzen müsse, aber einige beim einen, die anderen beim anderen mitmachen. Dann wird es wieder für den User unbequem – aber auch für die Firmen, sich dem einen oder anderen anzuschließen.

Das heißt, wenn, wenn, wenn euer Geschäftsmodell Bombe aufgeht, dann wäre das doch so, dass Ihr die diejenigen wärt, die das Zahlungssystem für Mobilität werden würdet. Also eine Monopolstellung einnehmt, mit euch als freundlichen Zöllnern zwischendurch?

Sophia: Ich würde es noch ein bisschen differenzieren. Das Zahlungssystem muss gar nicht bei uns liegen. Es geht zuerst nur um das gemeinsame Buch. Zahlungssysteme wird es ja auch noch andere geben, weil der Endkunde zahlt weiter mit Paypal und Co.

Es ist das Charmante beim Thema Blockchain: Wir denken von Beginn an offen. Wir nutzen ja auch nicht die eigene bloXmove-Chain, sondern Ethereum als Standardprotokoll und auch noch R3 Corda als Standardprotokoll. Es sind öffentliche Protokolle, die wir hier nutzen und sie sind alle miteinander verlinkt. Das heißt, schon jetzt haben wir mit mehreren Anbietern auf der Partnerschaften, wo wir sozusagen über die Chain hinaus kommunizieren. Deswegen muss es am Ende gar nicht nur unsere eine geben.

Aber klar, ich freue mich natürlich im Sinne der Skalierung und des Transaktionsvolumens, wenn wir eine große Zahl an Partnern drauf haben. Aber es muss nicht die eine Plattform für die Welt geben, wenn wir sie weiterhin durchlässig gestalten. Ich hoffe, das bleibt auch so, aber ich bin bei dir. Wir wissen noch nicht, wo sie es genau hin entwickelt. Vielleicht sind es am Ende doch wieder auch getrennte Ökosysteme. Ich hoffe nicht, weil dann kommen wir wieder in so Diskussionen, wo das Roaming einfach nicht der Vision entspricht, die wir jetzt gerade haben.

Man bietet ein Netzwerk, über das andere ihre Kooperation verhandeln.

Kai: Da habt Ihr also ein Netzmonopol-Problem, wie es auch die Bahn hat: Es lohnt sich nicht, zwei Bahnstrecken zu bauen, nur um Wettbewerb zu haben. Sondern, du brauchst eine Bahnstrecke und diese Bahnstrecke muss von mehreren betrieben werden können. Geht das bei euch auch? Das kann ich noch nicht so richtig denken.

Sophia: Genau das würde gehen! Wir haben ja noch die weitere Ebene drunter, die wir mitnutzen, die Smart Contract Logik. Das heißt es ist absolut möglich, dass mehrere jetzt dieses Netz mitnutzen könnten. Technisch ist das möglich. Am Ende reden wir ja doch wieder von Firmen, in unserem Fall auch von Business-Kunden. Und dann ist es eigentlich am Ende eher wieder eine Business-Entscheidung und eine Vertragsänderung. Da werden wir gerade in unseren Märkten, vermute ich, auch im ersten Schritt gar nicht drüber hinauskommen.

Deswegen nennen wir es auch oft den hybriden Ansatz, weil wir natürlich mit Organisationen arbeiten, die am Ende auch wieder Verträge brauchen. Ich gebe euch ein ganz konkretes Beispiel: Ich denke jetzt mal den Tier-Scooter, den Flixbus und noch die Deutsche Bahn als Teil unseres Netzwerks. Dann kann ich ja nicht für die genau entscheiden, was die jetzt untereinander machen. Das heißt, wir können das nur mit moderieren. Am Ende wird es auch noch Vertragsbedingungen zwischen den Partnern geben. Hoffentlich immer mehr standardisiert. Da sind wir gerade erst am Wachsen. Aber da seht ihr schon das Hybride an diesem Ansatz.

In manchen anderen Märkten haben wir die direkte Interaktion zwischen Nutzerinnen und Nutzern, Fahrerinnen und Fahrern. Wir haben jetzt einen Testballon in Nigeria gestartet. Dort ist eine andere Offenheit für mobile Lösungen, für Krypto, gegeben. Also auch für das Thema digitale Währung hat man hier einen komplett anderen Ansatz. Das wird sich jetzt erst zeigen, wie die Märkte sich auch entwickeln.

Kai: Es kann sein, dass sie in Nigeria, so wie Sie beim Telefon die Leitungen ausgelassen haben, auch die Bustickets auslassen und gleich auf Kryptowährung gezahlte Mobilität auch nicht vom Unternehmen, sondern mit einzelnen Fahrern gehen.

Sophia: Exakt das ist genau der Testballon, den wir starten wollen. Und genau das Phänomen, was du gerade beschreibst, was wir erhoffen, natürlich auch, was wir, was wir dort sehen werden. Ja.

Kommt mit jedem Blockchain-Einsatz immer auch eine neue Währung mit?

Andreas: Für mich als jemand, der zwar Technologie begeistert, aber nicht wirklich drin im Thema ist – ist diese Verbindung, sehr spannend, dass nur weil eine Technologie es gibt, die eindeutig vernetzt, sofort auch Währung ein Thema wird. Ich finde das interessant. Sophia, hier kannst du nochmal darauf eingehen. Warum hängt diese Ein-Eindeutigkeit von Vertragsverbindungen sofort auch mit einer Währung zusammen?

Sophia: Das müsste es gar nicht zwingend. Es ist aber ein Riesenpotenzial, was man daran hat. Es geht letztlich nicht um die Währung, sondern eigentlich darum, dass du durch den Code des Smart Contracts einen Wert digitalisieren kannst. Das ist ja das Thema rund um die „Token“. Um jetzt noch ein Stichwort mit reinzugeben. Das heißt, du kannst Wert digitalisieren.

Und das genau nutzen wir in unserer Abrechnungslogik auch: Wir haben unterschiedliche Knotenpunkte, etwa einen Account, der etwas schuldet und einer, der etwas bekommt. Und wir nutzen durch die Smart Contracts interne Verrechnungs-Tokens, sozusagen. Da muss gar nicht Währung draufstehen. Wir nutzen einfach die Logik der Tokenisierung. Das ist erst mal das, was die Technologie anbietet.

Natürlich gibt es das Potenzial, das auch noch als eine Art von digitaler Währung nach außen zu geben. Also dass Leute da auch investieren und dafür dann etwas bekommen – in unserem Fall eine Mobilitätsleistung in Zukunft buchen können. Mit Nigeria oder lateinamerikanischen Märkte, da hast du Inflationen, da hast du Währungen, die sind fernab von dem, was wir hier an Stabilität kennen. Das heißt, die Leute sind auch ganz anders dankbar dafür, wenn es Alternativen gibt oder auch andere Zugänge zu bezahlbaren Methoden gibt.

Und deswegen kann man die Märkte gar nicht miteinander vergleichen. Ich vermute stark ein Markt wie Deutschland. Hier werden wir weiter mit Euro zahlen. Da wird das ganze Thema Kryptowährungen eventuell noch viel länger brauchen. Da nutzen wir gar nicht so diesen Mechanismus, dass du als Endkunde mit unserem Token bezahlst wie in anderen Märkten.

Am Ende kannst du aber auch mehrere Sachen zulassen, ein Paypal Token usw  Also, es ist alles möglich. Auch hier wieder die Offenheit. Und gerade wie gesagt, in Märkten wie Deutschland, vermute ich, wird es erst mal einfach eine hybride Welt sein.

Andreas: Kai, wir haben mit bloXmove jetzt ja ein Geschäftsmodell, das ohne dieses Blockchain-Verfahren nicht kann. Wenn wir das abstrahieren und auf andere Organisationen gucken, mit vielleicht ähnlichen Problemen: Man muss mit Markt, Partnern oder Konkurrent irgendwie interagieren, man muss seiner Umwelt Sicherheit schaffen. Wird das etwas Besonderes bleiben, dass es diese Arten von Netzen gibt? Oder wird der Satz „Wir arbeiten mit Blockchain“ irgendwann so normal sein wie der Satz „wir arbeiten auch mit Telefon“?

Wird der Einsatz von Blockchain so normal sein wie der Einsatz des Telefons?

Kai: Ich glaube, wir müssen die beiden diese beiden Themen auseinanderhalten. Einmal diese die Frage: „Wie entwickelt sich Blockchain als Werthaltigkeitsinstrument, oder als Wert, Lager, oder Puffer, weiter?“ Darüber läuft auch eure Finanzierung, Sophia. Über Blockchain könnte auch die Mafia bei euch investieren, ohne dass man weiß, dass es die Mafia ist, zum Beispiel.

Das heißt, Blockchain erweitert erst mal den Kapitalmarkt. Das ist ein Effekt, bei dem glaube ich im Moment keiner weiß, wie das weitergeht. Ob die Zentralbanken das zulassen, ob sie selber solche Währungen rausgeben, ob es da stärkere Regulation gibt. Die Antwort ist glaube ich ja, in Europa wird es dazu Gesetzgebung geben. Das ist ein ganz eigener Markt, eine eigene Welt, bei der man noch nicht weiß, wie sich jeweils verbindet mit der Realwelt, der brick and mortar world. Und da, wo diese Übergänge sind, da wird es spannend.

Wie kriege ich jetzt das Distributed Ledger wieder in die SAP Systeme rein? Wie kriege ich eure interne Währung oder Verrechnungseinheit in echtes Geld übersetzt? Das sind die Brüche. Das könnte irgendwann mal viel bruchloser sein, wenn es rundherum auch eine auf Blockchain basierte Wertetransfer-Welt gibt.

Sophia: Da sprichst du was ganz Wichtiges an. Genau da sind wir zum Beispiel auch mit Partnern wie mit SAP schon dabei, diese brücken zu bauen, um die Durchlässigkeit, zu traditionellen Systemen, zu erreichen. Ich nenne es gerne „Tech-Inclusion“. Am Ende wollen wir ja etwas, was vernetzt funktioniert und nicht einfach nur alles weg radieren, was vorher da war. Das entsteht schon und das sind richtig mächtige Systeme dann, weil auf einmal ganz neue Partner auch miteinander zusammenkommen und zusammen Geschäft machen. Auf eine andere Art und Weise Transaktionen und Verträge abbilden.

Blockchain wird eine Lösung werden, die man ohne Verstehen nutzen kann.

Andreas: Also ihr würdet euch wünschen, dass Blockchain so normal wie Telefon von wird, um diese Partnerschaften möglich zu machen –

Kai: Beim Telefon sind wir noch gar nicht. Wir sind noch im Umkreis der Einbettung der Krypto-Welt in diese Welt. Aber ob die nun zu dem zum Mainstream wird oder nicht, das ist noch nicht entschieden.

Der andere Teil ist, wie man die Blockchain Technologie für interne Sachen benutzen kann. Und ich glaube da sind wir dann tatsächlich beim Telefon. Denn es gibt heute schon viele Behelfe. Man versucht mit Barcodes zu arbeiten, um Prozesse nachvollziehbar zu machen oder einem Container RFID-Chips mitzugeben, damit man weiß, wo er sich hinbewegt. Lauter Dinge, wo man genau wissen will, wo etwas herkommt. Im Bereich Lebensmittel haben wir einen Freund des Hauses sozusagen, der versucht Lieferketten trackbar zu machen, dass es ein-eindeutig ist, ohne Schummeln wie sonst immer. Das sind alles Dinge, wo Blockchain die Lösung sein kann.

Böse Zungen sagen ja immer Blockchain ist eine Lösung, die noch kein Problem gefunden hat. Aber es gibt schon Probleme da draußen, die man mit Blockchain-Technologie gut lösen kann und die, die werden auch Leute einfach lösen. Ohne viel drüber nachzudenken. Meinem Vater werde ich Blockchain nicht mehr erklären müssen. Der war Systemprogrammierer in den 60er Jahren. Der versteht so etwas im Grunde. Aber er muss es nicht. Das wird eine Technologie sein, mit wir einfach umgehen werden. Und ganz ehrlich, Andreas, ich verstehe auch nicht genau, wie das Telefon funktioniert, aber ich nutze es einfach.

Sophia: Das ist der wichtigste Satz, den du gerade sagst. Da muss es auch hingehen. Gerade hat man auch recht verschrobene Diskussionen. Jeder versucht auf Code-Ebene und Protokoll-Ebene zu verstehen, wie die Blockchain funktioniert. Da sage ich aber: „Das kannst du doch beim Internet 2.0 auch nicht. Kannst du HTML-Sprache und mir die Protokolle erklären?“ Wahrscheinlich auch nicht.

Wir haben aber gelernt, was wir für Benutzeroberflächen darauf aufbauen können. Und das sollte der Clou eigentlich werden. Die Brücke, die wir schlagen müssen. Was für Applikationen bauen wir da drauf, auf diesen neuen Netzwerkstrukturen, die dann uns allen oder den Firmen wieder Vorteile verschaffen? Und da kommen wir gerade hin.

Volle Transparenz oder volle Anonymität?

Kai: Ich habe noch zwei Fragen, die mich beschäftigen: Also auf der einen Seite ist ja ganz toll, dass das alles eineindeutig ist und nachvollziehbar ist. Auf der anderen Seite kenne ich den Menschen nicht, der will, dass sein ganzes Leben eindeutig und nachvollziehbar ist. Die absolute Transparenz, die [der Einsatz von Blockchain] schafft, natürlich großartig, wenn man Kriminalität vermeiden möchte, wenn man Steuerhinterziehungen, Unterschlagungen, Bestechungen, vermeiden möchte. Aber wenn jemand es schafft, meinen Identifier mit meinen Handlungen in Verbindung zu bringen, das mein ganzes Leben transparent ist – das macht mir keine Freude.

Und der zweite Punkt ist: Wenn diese Identifier nicht verbunden sind, also wenn die Transaktionen nicht mehr mit der realen Person zusammentreffen würden, dann entsteht eine Welt, die disconnected ist, wo keine Haftung möglich ist, wo keine Schuldfragen zu klären sind, – wo das Recht gar nicht greift. Wie man damit umgeht, zwischen absoluter Transparenz und Anonymität, habe ich noch nicht zu Ende gedacht. Da bist du bestimmt weiter als ich im Thema.

Sophia: Ich glaube, da gibt es noch nicht die finale Antwort. Grundsätzlich gesprochen sind wir gerade eher beim zweiten Phänomen, das du beschreibst. Aufgrund der Verschlüsselung der verschiedenen Identifier und der dadurch hergestellten Anonymität wissen einzelne Firmen gar nicht mehr genau wissen gar nicht mehr genau: Was ist jetzt dein Klarname und wo genau bewegst du dich von A nach B?

Das werden spannende Fragen sein: Wann wird was erlaubt? Also wenn Du jetzt den Scooter nimmst und schmeißt den ins Wasser, wie kriegen wir das raus? Das Gerät meldet das sofort. Aber wer darf jetzt reingucken, wer gerade damit gefahren ist? Und wie sehen wir das dann?

Das sind jetzt die Diskussion, die sind auch an vielen Stellen noch nicht geklärt. Da gibt es verschiedene Gruppen, die sich damit beschäftigen. Und da müsste ich jetzt auch lügen, wenn ich dir sage, dass das alles schon geregelt ist. Das ist noch spannend und ist noch nicht final entschieden. Da müssen wir doch unbedingt alle gemeinsam klug denken, wie das weitergeht.

Das Skript wurde mit Blick auf eine bessere Lesbarkeit überarbeitet und im Verhältnis zum echten Gespräch in Teilen gekürzt.

Kai Matthiesen

Dr. Kai Matthiesen

Partner und Geschäfts­führer bei Metaplan, interessiert sich besonders für neue Technologien und welche Implikationen sie für organisationale Strukturen haben.

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Sophia Rödiger

ist CEO und Mitgründerin von bloXmove, einem Startup, das eine auf Blockchain basierende Mobilitätsplattform aufbaut.

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