Wer mit Maschinenbau zu tun hat, stößt schnell auf das Stichwort Solution Providing. Solution Providing soll der Weg aus dem härteren Wettbewerb sein, zum Alleinstellungsmerkmal, soll die Margen verbessern und insgesamt: das Geschäftsmodell mit Zukunft im Maschinenbau sein.
Doch birgt der Begriff ganz unterschiedliche Deutungen. Diese Reihe bespricht drei mögliche Herangehensweise an Solution Providing. Bereits erschienen:
• Solution Providing durch Service
Dieser Artikel erklärt, was Solution Providing durch horizontale Leistungserweiterung ausmacht, und diskutiert die Herausforderungen der jeweiligen Herangehensweise.
Was bedeutet horizontale Leistungserweiterung?
Ausgangspunkt des Modells ist die Annahme, dass das Unternehmen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht alle Leistungen anbietet, um sich als Solution Provider zu positionieren. Das Leistungsspektrum muss erweitert werden. Man will für den Kunden nicht mehr nur ein Element einer Kette, sondern die ganze Kette liefern. Das kann eine schlüsselfertige Montagestraße sein, die ins ERP und Logistikkonzept integriert ist. Das kann eine komplexe Produktionsanlage oder eine Kombination aus Einzelaggregaten eigener und fremder Komponenten sein, idealerweise verbunden mit der leistungsfähigen IT-Lösung zur Steuerung, Überwachung und Optimierung.
Gerade KMU im deutschen Maschinenbau können diese Zusatzleistungen aber selten aus eigener Kraft erbringen, sondern müssen ihr Leistungsangebot mit Leistungen anderer Unternehmen ergänzen. Das können vor- und nachgelagerte Maschinenaggregate sein, wie die Materialzuführung oder die Fertigwarenverpackung. Bei einem Komponentenlieferanten können das aber auch Steuerungselemente, Leitungen, Steckverbindungen oder ähnliches sein. Mitunter sind es auch Service- oder IT-Leistungen.
Damit daraus tatsächlich nicht nur eine Ergänzung, sondern eine Solution wird, braucht es eine Systemintegration. Das heißt, die einzelnen Komponenten müssen zusammenpassen, ineinandergreifen und im Zusammenschluss leistungsfähiger sein, als die Einzelkomponenten – Systemintegration eben.
Zwei Wege zur Leistungsintegration
Um diese Leistungsintegration zu erreichen, bieten sich den Maschinenbau-Unternehmen zwei Herangehensweisen:
- Zukauf
- Kooperation
Integration über Zukauf klingt simpel: Entlang der entwickelten oder zu entwickelnden Lösung werden Unternehmen gekauft, die vor- oder/und nachgelagerte Leistungsstufen beisteuern (sollen). Man wird als Anbieter attraktiver, weil die Kunden weniger Konflikte und Reibungsverluste durch Abstimmungen aushandeln müssen.
Die Grundvoraussetzung dafür ist: „Die Synergien müssen stimmen. Bin ich der ‚best owner‘ für das zugekaufte Unternehmen? Wenn nicht, gibt es keinen Wettbewerbsvorteil.“, so einer unserer Gesprächspartner. Aber selbst wenn die „strategische Rationale stimmt“, braucht es dennoch einen gut angelegten Integrationsprozess. Hier muss man sich darüber verständigen, wie die „Solutions“ aussehen sollen und wie man sie gemeinsam hinbekommt.
Im Zentrum steht dabei die Frage, wie abhängig die Leistungsprozesse voneinander sind. Beispielweise ist in der Pharmaproduktion die Wertschöpfung der Formulierung einer Arznei relativ unabhängig vom Verpackungsprozess. Um im Verpackungsprozess einen Wettbewerbsvorteil zu bieten, kommt es aber sehr wohl darauf an, wie die Prozesse der Primär- und Sekundärverpackung ineinandergreifen. Aber auch wenn die strategische Rationale für den Zukauf grundsätzlich stimmt, heißt das nicht, dass „die Synergien gehoben“ werden.
Externe Konflikte werden in die Struktur gezogen
Zwei (oder mehr) Unternehmen sollen miteinander in einer Hierarchie neu und möglichst besser funktionieren als vorher getrennt. Besser heißt dann mit weniger Konflikten und Reibungsverlusten. Der jeweilige Kunde hat aber nur deswegen weniger Konflikte und Reibungsverluste in der Kommunikation, weil der Maschinenbauer sich genau diese Konflikte durch den Zukauf ins Unternehmen geholt hat. Post Merger Integrationsprobleme ist der Begriff für den Stress, der nun das Unternehmen heimsucht. „Im Grunde muss man die ganze Organisation umbauen“, beschrieb es ein Geschäftsführer, der Solution Providing über Vollintegration versuchen will. „Neue Arbeitsabläufe, neue Schnittstellen, neue Zuständigkeiten. Wer annimmt, man kann einfach zwei Organigramme aneinander tackern, liegt falsch.“
Man muss sich nun intern darüber verständigen, wie die Solution für die Kunden aussehen soll und wie sie erbracht wird. Oft sind alle Beteiligten von ihrem Lösungsbeitrag besonders überzeugt sind. Gerade dann braucht es viele Diskussionen und Managementgeschick, um eine Lösung aus einem Guss bereit zu stellen, die besser ist als andere Angebote auf dem Markt. Wer aber Solution Providing durch den Zukauf von Unternehmen ausbauen will, überlässt diese Diskussionen besser nicht dem Zufall, sondern entwickelt eine Integrationsstrategie und verständigt sich in einem Strategieprozess auf ein Leistungsportfolio, mit dem man besser am Markt agieren kann, als die Konkurrenz.
Integration über Kooperation
Der andere Weg zum Solution Provider führt über Kooperation. Statt nebeneinander zu ko-existieren, um hin und wieder über Dritte in die Zusammenarbeit gekauft zu werden, wenn die unterschiedlichen Leistungsstufen Teil eines Ganzen werden sollen, stellt man die Zusammenarbeit auf Dauer. Das Zauberwort in diesem Zusammenhang ist Unternehmungsnetzwerk. Das soll im besten Fall Synergie-Effekte haben: Anforderungen an den Leistungsschnittstellen werden leichter zu bearbeiten. Man kommt im Austausch auf weitere Einsatzmöglichkeiten. Die wiederholte Zusammenarbeit reduziert Missverständnisse.
Idealtypisch kann man hier zwischen heterarchischen und hierarchischen Unternehmungsnetzwerken unterscheiden. Bei heterarchischen Netzwerke sind die beteiligten Unternehmen mehr oder weniger gleichberechtigt und gleichmächtig. In einer hierarchischen Netzwerkorganisation führt eine sogenannte „fokale“ Unternehmung das Netzwerk.
Die fokale Unternehmung hat deutlich mehr Einfluss auf die Beziehungen im Netzwerk als die anderen. In beiden Netzwerktypen muss durch Netzwerkmanagement zusätzlich geleistet werde, was in integrierten Unternehmungen die Unternehmensorganisation leistet. Im integrierten Unternehmen steht als Ausfallmechanismus die Hierarchie zur Verfügung, basierend auf dem aus Eigentum abgeleiteten Direktionsrecht.
Die Unternehmensorganisation leistet nebenbei, was im Netzwerk zum Teil mühsam durch vier zusätzliche Managementfunktionen erbracht werden muss:
- Unternehmungen, die im Netzwerk mitwirken sollen, müssen selektiert werden – und ggf. wieder ausgeschlossen
- Es müssen Ressourcen für die Netzwerkbeziehungen aufgewendet werden
- Die Leistungen der Netzwerkunternehmen müssen bewertet werden
- Die Beziehungen müssen reguliert werden.
Eine klassische und lange etablierte Form der hierarchischen Netzwerkorganisation wird durch den Generalunternehmer geführt. Der Generalunternehmer müht sich die Leistungen der beitragenden Unternehmen zu integrieren, trägt einen höheren Teil des Geschäftsrisikos und wird für seine Mühe und das Risiko entsprechend entgolten.
Typischerweise versucht man die Beziehungen durch aufwändige Vertragswerke zu regulieren. Die Vertragswerke regeln insbesondere, wer für Minderleistungen, Mängel oder Schäden aufkommt. Mindestens ebenso wichtig ist aber eine Verständigung darüber, wie man den Kunden was gemeinsam anbieten will, wie die Schnittstellen funktionieren sollen und wie die Teile zu einem Ganzen integriert werden sollen. Dabei hilft kein Vertrag, sondern die beteiligten Unternehmen müssen sich zum gemeinsamen Vorteil auf gemeinsame Leistungserbringung verständigen.
Wenn man gemeinsam eine Produktionsstrecke anbietet, muss bspw. die Programmierung von Aggregat A so programmiert werden, dass Aggregat B die Teile auch aufnehmen kann. Dann folgt Aggregat C und so weiter. Wie werden die Aggregate verbunden? Wer bestimmt die Gesamtsteuerung? Wenn sich Maschinenbauer vor allen Dingen voneinander abgrenzen, statt aneinander anzuschließen, wird es schwer.
Was Kooperationen schwierig macht
Denn natürlich gibt es auch Bedenken: „Wir haben gemeinsam mit einem Technologie-Provider eine Lösung entwickelt“, berichtete mir ein R&D-Leiter. „Wir stehen jetzt vor der Patentierung. Aber der Partner will eine verbindliche Zusage über die dauerhafte, gemeinsame Arbeit. Wir sind uns noch unsicher: Wollen wir uns darauf wirklich einlassen? Denn man macht das eigene Unternehmen abhängig von einem anderen.“
Ein anderer Geschäftsführer, dessen Firma sich als Generalunternehmer zum Solution Provider entwickelt hat, berichtet von weiteren Schwierigkeiten: „Der Abstimmungsaufwand in Kooperationen bleibt hoch. Obwohl man immer mit den gleichen Organisationen zusammenarbeitet – irgendetwas ist immer.“
„Wir tragen für die Gesamtanlage das Risiko gegenüber den Kunden – aber erst nach Abnahme. Vorher ist noch der Lieferant in Haftung. Es bleibt also ein Interessenskonflikt zwischen unseren Lieferanten und uns.“ Angesichts der Risiken und Mühen des Zukaufs, insbesondere der Post Merger Integration, kann es dennoch sinnvoller sein, sich auf eine Netzwerkorganisation einzulassen, um Solution Providing zu betreiben. Jedoch müssen sich die beteiligten Unternehmen auf die Zusammenarbeit verständigen.
Hierzu braucht es Raum und Gelegenheit zur Abstimmung, Geschick in der Moderation und natürlich gemeinsame Erfolge, die das Zutrauen in ein Kooperationsmodell fördern.
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