Wer mit Maschinenbau zu tun hat, stößt schnell auf das Stichwort Solution Providing. Solution Providing soll der Weg aus dem härteren Wettbewerb sein, zum Alleinstellungsmerkmal, soll die Margen verbessern und insgesamt: das Geschäftsmodell mit Zukunft im Maschinenbau sein.
Dies sind alles Aspekte, die sich wohl jede Geschäftsführerin und Geschäftsführer für sein Unternehmen wünscht. Gerade deshalb erscheint der Begriff so attraktiv. Das liegt auch und vor allem daran, dass er sehr unterschiedlich interpretiert wird und eigentlich ganz unterschiedliche Geschäftsmodelle dahinterstecken. Deshalb haben wir das Schlagwort in drei Konzepte aufgelöst.
- Solution Providing durch Service
2. Solution Providing durch horizontale Leistungserweiterung
3. Solution Providing durch Individualisierung
Dieser Artikel erklärt, was Solution Providing durch Service ausmacht, und diskutiert die Herausforderungen der jeweiligen Herangehensweise.
Solution Providing als Serviceintegration
Anlagenverfügbarkeit ist das A&O der Produktion. Was nützt die innovativste Technologie einer Maschine, wenn man als Hersteller immer damit rechnen muss, dass es zu unvorhersehbaren Störungen kommen kann und die Wiederherstellung der vollen Leistung unkalkulierbar lange dauert? Gleichzeitig ist allen mit Erfahrung im Maschinenbau klar: Auch die zuverlässigste Anlage kann aussetzen, zeigt Verschleiß, muss instandgehalten werden. Es ist eine Entscheidung des Maschinenbauers, wie sehr er die Orientierung des Kunden – die hohe Anlagenverfügbarkeit – auch zu seiner machen will. Konstruieren, Konfigurieren, Verkaufen, und sich dann auf den nächsten Abschluss zu orientieren, ist auch eine oft gewählte Variante. Wenn auch nicht immer bewusst.
Wenn Maschinenbauer eine hohe Verfügbarkeit ihrer Anlagen zum Qualitätsmerkmal erheben wollen, geht der Weg über ein Servicekonzept. Üblicherweise werden unterschiedliche Reifegrade der Serviceorganisation unterschieden. Vom reaktiven Service, der erst auf Kundenanfrage aktiv wird, bis zum präskriptiven Service, der mit Hilfe von KI nicht nur Probleme vorhersagt, sondern auch Handlungsempfehlungen gibt, um Probleme zu vermeiden oder direkt zu beheben. Peter Kuhle hat dazu im „Maschinenmarkt“ einen spannenden Artikel geschrieben.
Jedoch: Nur weil eine Leistung angeboten und verkauft wird, heißt es noch nicht, dass die Serviceorganisation ins Geschäftsmodell des Maschinenbauers klug integriert ist. Die Frage ist schlicht: Womit wird eigentlich das Geld verdient – und, etwas erweitert: Womit soll es verdient werden? Mit dem Verkauf der Maschine, einem ertragreichen Servicekonzept, oder vielleicht mit Equipment-as-a-Service, bei dem nur noch der Output der Maschine in Rechnung gestellt wird?
Wenn Solution Providing über verschiedene Ausbaustufen des Service das Geschäftsmodell ist, lohnt es sich etwas genauer über die Einbindung der Serviceorganisation in die Leistungsprozesse der Organisation nachzudenken. Jede dieser Ausbaustufen des Service hängt von einer leistungsfähigen und gut integrierten Serviceorganisation ab. Wie aber muss der Vertriebsansatz dafür aussehen? Wie wird der Vertrieb incentiviert, wenn nicht mehr die eine große Zahlung für die Anschaffung erfolgt, sondern über Jahre gestreckte Umsätze gemacht werden? Wie verändert sich das Machtverhältnis zwischen Service und Sales, wenn der Service behaupten kann, dass er den eigentlichen Ertrag liefert? Wie sorgt man dafür, dass Sales ein Servicelevel anbietet, das weder zu teuer, zu günstig noch zu ambitioniert ist? Welche Rolle hat das Productmanagement dabei?
Das Konfliktpotenzial ist groß
Diese Fragen werden ein Maschinenbauunternehmen umtreiben, sobald das Interesse deutlich wird, die Serviceorganisation weiterzuentwickeln. Nicht immer werden sie laut gestellt. Viel üblicher ist, dass jede Abteilung, jeder Bereich für sich eine eigene Meinung bildet – und diese dann versucht durchzudrücken – immer im Wissen, das Beste fürs Unternehmen zu wollen. Natürlich wird es zum Beispiel im Vertrieb auch Akteure geben, die den Wandel zur Serviceorganisation als Angriff auf ihre Person verstehen. Für einen „Vollblut-Salesman“ bietet Solution Providing nur noch wenig Platz. Es kann manchmal also auch eine Frage der Charaktere sein, die aufeinandertreffen, wie viel Konfliktpotenzial im Wandel steckt.
Doch oft sind es Sachfragen, die Ausgangspunkt für Auseinandersetzungen sind. Zum Beispiel muss das Preismodell eines Solution Providers anders aussehen als eines Anlagen-Lieferanten. Denn wenn eine hohe Anlagenverfügbarkeit ein zentrales Verkaufsargument ist, muss sich das auch im Preismodell niederschlagen und das hohe Servicelevel darf nicht einfach eine Dreingabe sein. Dann können z.B. die Anschaffungskosten für den Kunden niedriger sein, wenn im Gegenzug die monatliche oder jährliche Servicepauschale höher ausfällt. Im Modell Equipment-as-a-Service bleibt die Maschine im Eigentum des Maschinenbauers (oder wird von einem zusätzlichen Dritten übernommen). Der Kunde hat dann nicht nur Zugang zu neuester Technologie, sondern profitiert auch von geringeren Finanzierungskosten, besser finanzieller Planbarkeit und kann in der Produktion flexibel auf Nachfrageschwankungen reagieren.
Für diese Vorteile muss der Kunde natürlich zahlen. Aber wie viel? Wer hat dabei den Aufwand und wem wird der Ertrag zugerechnet? Sales, die das Paket verkauft haben? Service, die durch ihre Leistung überhaupt erst ein profitables Geschäft ermöglichen? IT, die die Steuerung und das Datenmodell liefern?
Strategiewechsel gelingt nur über organisierten Diskurs
Diese Fragen werden von den beteiligten Organisationseinheiten natürlich unterschiedlich beantwortet. Mitunter nutzen sie dabei einige Lautstärke. Das Management hat hier die Aufgabe, einen Prozess zu organisieren, an dessen Ende im Unternehmen akzeptierte Ergebnisse stehen. Es wird dabei Verlierer geben, das ist unausweichlich. Aber noch schlimmer, als enttäuschte Mitarbeitende (die eventuell sogar kündigen, nur um die Tragweite des Diskurses zu unterstreichen) ist ein unaufgelöster, schwelender Konflikt, der fortan zwischen den Organisationseinheiten besteht, die eigentlich besonders gut zusammenarbeiten müssen, damit das Geschäftsmodell Solution Providing gelingt.
Es geht noch eine Stufe schlimmer: Und das ist das Nutzen von Appellen an die Vernunft. Wenn man sich als Management hinstellt und Organisationsbereiche infantilisiert, weil man sich über ihre ständigen Konflikte ärgert und nölt, dass man doch erwachsene Menschen eingestellt hat – hat man genau nicht getan, was Management-Aufgabe ist: Nämlich Ursachenforschung betreiben und den Konflikt in produktive Bahnen zu bringen.
Es gibt keine heile Arbeitswelt, in der alle gerne miteinander arbeiten. Aber es gibt eindeutig ein besseres Betriebsklima und bessere Zusammenarbeit, wenn die jeweils anderen Anliegen verstanden sind. Der Weg dahin ist manchmal mühsam: Denn außer einem organisierten Diskurs gibt es kaum Mittel, die langfristig Kooperation ermöglichen. Eine Servicestrategie kann nur gemeinsam erarbeitet, nicht als vollendete Tatsache verkündet werden. Nur dann verankert sie sich auch in der Organisation. Und nur dann stimmt auch „Die zweite Maschine verkauft der Service.“ Andernfalls hat man schöne Management-Lyrik, aber ist im praktischen Geschäft noch dem Verkauf verhaftet, mit Serviceleistungen als freundliche Dreingabe.