Die schärfste Formulierung der Paradoxie der Unentscheidbarkeit stammt aus der Feder Heinz von Foersters, Doyen des Konstruktivismus: „Only those questions that are in principle undecidable we can decide.“
Diese Zuspitzung ist Resultat einer denkbar radikalen Reflexion auf die Lücken der Begründbarkeit, Lücken, die jede echte Entscheidung überbrücken muss. Im Alltag kommen wir mit dem Bild einer zwar löchrigen, aber doch irgendwie tragfähigen Begründungsbrücke über die Kluft der Kontingenz besser zurecht. Vor der Frage „Wie entscheiden sich aber die Leute angesichts jener Unmöglichkeit?“ bleiben die Denker der Unentscheidbarkeit einsilbig.
Eine Antwort, und es ist die von Niklas Luhmann bevorzugte, lautet: Wo es keine guten, gar sicheren Gründe gibt, werden sie fingiert. Wo wir es nur mit Wahrscheinlichkeiten zu tun haben, greift Platz, was Luhmann die „Selbstverstärkung des Wahrscheinlichen“ genannt hat. Wenig Wahrscheinliches wird behandelt, als ob es wahrscheinlich, einigermaßen Wahrscheinliches, als ob es sicher wäre. Dieses Als Ob verdeckt und exekutiert den alltäglichen organisatorischen Dezisionismus. Ob die Standardsoftware, die wir anzuschaffen beabsichtigen, (gut) funktioniert, ist zwar unsicher, aber die Wahrscheinlichkeit erfährt Selbstverstärkungen: Der Hersteller ist doch renommiert, das Auswahlverfahren systematisch und gründlich, der befreundete Geschäftspartner voll des Lobes, und „die anderen tun es schließlich auch“.
In meinem Fach, der Betriebswirtschaftslehre, pflegt man die Entscheidungsverfahren, Wirtschaftlichkeits-, Investitions-, Kosten-Nutzen-Rechnungen e tutti quanti, die zu vervollkommnen unser Geschäft ist, als Verfahren der Produktion guter, bestmöglicher Gründe aufzufassen. Nicht auszudenken, wenn sie in Wirklichkeit nur der Selbstverstärkung des Wahrscheinlichen dienten, der Fiktion guter Gründe! Nicht auszudenken, und nie, weder vor noch nach der Entscheidung, sicher zu sagen.
Erstmals in: Kunst des Entscheidens. Velbrück Wissenschaft Weilerswist 2011.
Wir danken dem Verlag für die Erlaubnis, den Text hier neu zugänglich zu machen.