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Mobile Arbeit in der Schweiz

Who said life’s fair?

  • Cordula Rieger
  • Montag, 21. November 2022

Wie mobile Arbeit Führung verändert, hat Metaplan erst für Deutschland, nun auch für die Schweiz untersucht. Eine überraschende Erkenntnis: In der Schweiz scheint ungleiche Behandlung – zum Beispiel bezüglich der Möglichkeiten, remote zu arbeiten – eher akzeptabel zu sein als in Deutschland. Warum ist das so?

Wie sorgt man für ausgleichende Gerechtigkeit zwischen denjenigen, die «remote» arbeiten können – und denjenigen, bei denen dies aufgrund ihrer Funktion und Aufgabe schlicht nicht möglich ist? Und: Warum wird diese Frage für Organisationen überhaupt wichtig? Sie müssten sich damit ja gar nicht beschäftigen. Dieser Umstand wurde in der Metaplan-Studie «Wie jetzt führen» als eine von fünf zentralen Fragen der mobilen Arbeit und ihren Folgewirkungen verhandelt.

«Gerechtigkeitsdebatte» als typisch deutsches Phänomen?

Als wir im Rahmen der Interviews zur „Swiss Edition“ mit dieser Frage an Schweizer CHROs und CCOs herantraten, machten wir eine interessante Entdeckung: Die Debatte um „ausgleichende Gerechtigkeit“, nach anderen Vorteilen, wenn Homeoffice nicht möglich ist, scheint in der Schweiz weniger intensiv, oder aber unter anderen Vorzeichen geführt zu werden.

In Deutschland war diese Frage omnipräsent und wurde mit einer gewissen Heftigkeit ausgefochten, sowohl in den Unternehmen als auch in der Öffentlichkeit. In der Schweiz wurde dieser Diskurs ebenfalls geführt, insbesondere dort, wo «white collar worker» auf «blue collar worker» im direkten Arbeitskontext aufeinandertreffen.

Unsere Schweizer Interviewpartner:innen berichteten dabei jedoch eher von konstruktiven Dialogen mit den Mitarbeitenden und, wo vorhanden, Arbeitnehmervertretungen. Einige Unternehmen führten dann z.B. auch neue, flexiblere Bedingungen für Werksmitarbeitende ein, um die mangelnde Möglichkeit mobiler Arbeit auszugleichen.

Auch die Mitarbeitenden in unseren Werkstätten, im Verkaufsraum oder der Logistik wünschen sich mehr Flexibilität. Örtlich ist diese natürlich kaum möglich. Wir sprechen hier nun aber verstärkt über zeitliche Flexibilität, wie z.B. Teilzeit oder eine Vier-Tage-Woche.

Anja Bates

Chief Human Resource Officer, AMAG Group AG

Kulturelle Unterschiede oder Einfluss der Gewerkschaften?

Viele unserer Schweizer Gesprächspartner:innen thematisierten die «Gerechtigkeitsfrage» aber gar nicht, da sie in ihrem Unternehmen keine bedeutende Rolle spielte. Auf Rückfrage hörten wir dann z.B., es handle sich in Deutschland doch wohl eher «um eine Neiddebatte als um eine Gerechtigkeitsdebatte».

Wir versuchen zu verstehen, was hinter den Debatten um Gerechtigkeit steckt. Meistens ist es eher Ausdruck einer mangelnden Wertschätzung. Jeder Job hat Vor- und Nachteile. Wichtig ist, für alle Funktionen immer wieder auch Verbesserungen zu ermöglichen.

Natalie Rüedi

Chief Human Resources Officer, Emmi Gruppe

Für die Ursache dieses Unterschiedes sind uns zwei Annahmen begegnet, bei denen es lohnenswert scheint, sie genauer zu untersuchen.

These 1: Die Schweizer Kultur erträgt ungleiche Behandlung eher als die deutsche.

Manche unserer Gesprächspartner:innen führten diese Diskrepanz vor allem auf kulturelle Unterschiede zurück. Während in Deutschland jede «Ungleichheit» als «Ungerechtigkeit» gesehen werde, sei in der Schweiz die Toleranz für begründete Ungleichheit wohl höher. So kennt z.B. das politische System der Schweiz in sehr vielen Aspekten unterschiedliche Regelungen von Kanton zu Kanton und von Gemeinde zu Gemeinde.

These 2: Die Gerechtigkeitsdebatte wurde in Deutschland vor allem von den Gewerkschaften befeuert.

Andere sahen den Grund für die unterschiedliche Diskussion vor allem im geringeren Einfluss der Gewerkschaften. In ihren Augen wurde die Debatte in Deutschland in erster Linie von Betriebsratsgremien geführt, die «ihren Leuten etwas Gutes tun wollten», bzw. von Gewerkschaften, die das Thema «mobile Arbeit» nutzen, um mediale Aufmerksamkeit zu generieren.

Eine exakte Antwort ist nicht zu erwarten – aber die Suche schon erkenntnisreich.

Natürlich ist es zu einfach, bei historisch gewachsenen, gesellschaftlichen Unterschieden zwischen den beiden Arbeitsmärkten sich auf eine oder zwei Ursachen zu reduzieren. Doch ist es interessant, dass unsere Interviewpartner:innen ähnliche Erklärungen hatten. Auch scheint es aus Sicht von Schweizer Führungskräften häufig schon gut zu gelingen, flexiblere und „gerechte“ Bedingungen im Unternehmen zu verhandeln – ganz ohne die Notwendigkeit, den Begriff selbst dabei zu nutzen.

Wir sollten wirklich davon wegkommen zu sagen: Homeoffice ist gut, und Arbeiten im Büro ist schlecht. Gut ist, dass wir jetzt Flexibilität haben – Flexibilität, den Ort zu wählen, an dem wir eine Aufgabe oder Funktion am besten erfüllen können.

Irene Mark-Eisenring

Chief Human Resource Officer, Bühler AG

Die komplette Studie lesen

Die «Swiss Edition» der «Wie jetzt führen?»-Studie entstand mit dem Anspruch, die Erkenntnisse für der Schweiz zu validieren und nach «landestypischen» Unterschieden zu suchen. Einen Überblick über die Ergebnisse unserer Untersuchung in der Schweiz gibt hier mein Kollege Andreas Oertli. Dieser Artikel basiert auf den neuen Erkenntnissen der «Swiss Edition». Die gesamte «Swiss Edition» gibt es hier zum kostenlosen Download:

Kostenloser Download der „Swiss Edition“

Wie jetzt führen? Warum mobile Arbeit Führung neu formt.

Autorin
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