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Mobile Arbeit in der Schweiz

Einmal mehr ist die Schweiz ähnlich, aber doch anders

  • Andreas Oertli
  • Dienstag, 15. November 2022

Was macht mobile Arbeit mit einer Organisation? Wie verändern sich Absprachewege, kollegiale Beziehungen und Entscheidungswege? Und welche Unterschiede finden sich dabei zwischen der Schweiz und Deutschland? Im Gespräch mit Schweizer CHROs und CCOs sind wir dieser Frage auf den Grund gegangen.

Während der Pandemie mussten viele Organisationen sehr schnell fit werden für ein Arbeiten ohne gemeinsamen Ort. Es gab Experimente, Ad-hoc-Lösungen und viele vorbehaltliche Regelungen. Doch seit Anfang 2022 wird die Notlage in Normalität überführt. Und alle fragen sich: Wie geht es weiter mit mobiler Arbeit? Welche Auswirkungen hat sie auf die (Zusammen-)Arbeit und Führung in Organisationen? Und welche neuen Herausforderungen entstehen dadurch?

Metaplan veröffentlichte im Juli 2022 eine Studie, die diese Fragen untersucht und systematisiert. Dabei kristallisierten sich fünf zentrale Fragen heraus, die Unternehmen unter Spannung setzen:

1. Braucht es für produktive Arbeit einen gemeinsamen Ort?

2. Wie sorgt man für ausgleichende Gerechtigkeit?

3. Soll mobile Arbeit als Belohnung oder als Selbstverständlichkeit gelten?

4. Wie verändert mobile Arbeit Führungsanlässe und -mittel?

5. Wie verändert mobile Arbeit Beziehungen?

Kleine Unterschiede zwischen Deutschland und Schweiz

Wir als Metaplaner in der Schweiz wollten verstehen, inwiefern die Ergebnisse dieser Studie auch für die Schweiz anwendbar sind und ob sich dabei spezifische, «landestypische» Aspekte finden. Daher führten wir im Herbst 2022 weitere Gespräche mit CHROs und CCOs namhafter Unternehmen in der Schweiz durch.

Ganz grundsätzlich lässt sich festhalten: Schweizer Unternehmen ringen derzeit mit denselben Themen und Fragen wie ihre nördlichen Nachbarn. Die fünf beschriebenen Fragestellungen wurden und werden auch hierzulande heiss diskutiert. Auch die Antworten der Organisationen darauf bewegen sich im selben breiten Spektrum von Möglichkeiten.

Dies sollte auch nicht weiter verwundern, sind diese Fragen doch sehr grundlegender Natur. Auch die Rahmenbedingungen, in denen sich die Antworten dazu herausbilden, sind – aus einer globalen Sicht betrachtet – in Deutschland und der Schweiz generell ähnlich. Wir sehen vor allem zwei konkrete Unterschiede, die Einfluss darauf nehmen, welche Lösungen sich schlussendlich durchsetzen:

1. Ein weniger regulierter Arbeitsmarkt

Der Schweizer Arbeitsmarkt ist deutlich weniger reguliert als der deutsche. Dies zeigt sich insbesondere in einem liberaleren Arbeitsrecht und einem geringeren Einfluss von Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften. Während also in Deutschland die neuen Regelungen punkto «mobiler Arbeit» mehrheitlich als Betriebsvereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung ausgehandelt wurden, sind Schweizer Unternehmen wesentlich freier in ihren Entscheidungen. Eine höhere Mobilität der Arbeitskräfte, eine gesellschaftlich anders verankerte Eigenverantwortung sowie eine ausgeprägte Kultur der Weiterbildung und -entwicklung wiederum führen dazu, dass das jeweilige Management auch ohne diese formale Vertretung die Interessen der Mitarbeitenden gut im Auge behält.

Wir führen heute deutlich individueller als vor der Pandemie und versuchen, jeweils eine passende Lösung zu finden mit Blick auf die Bedürfnisse der Kunden, der Firma sowie der einzelnen Mitarbeitenden. Dies gelingt uns sehr gut, denn tragfähige Kompromisse zu finden sind wir in der Schweiz aufgrund der starken Konsensorientierung ja gewohnt.

Christian Kehler

Director Human Resources, KPMG Schweiz

2. Geografische Eigenheiten der Schweiz

Der Schweizer Arbeitsmarkt ist geografisch deutlich kleiner als der deutsche. Auffällig war in diesem Zusammenhang zum einen, dass von unseren Schweizer Ansprechpersonen mehrere das Thema «Grenzgänger» erwähnten, was in Deutschland nicht zur Sprache kam. In Deutschland ist grenzüberschreitendes Arbeiten eine so seltene Ausnahme, dass sie in den Regeln zur mobilen Arbeit keine Rolle spielt. Viele Schweizer Unternehmen haben diesen Fall jedoch von Anfang an berücksichtigt und geregelt, welche Möglichkeiten zur mobilen Arbeit sich auch über Ländergrenzen hinweg bieten bzw. welche Einschränkungen es hier aufgrund rechtlicher Vorgaben gibt.

Rechtliche Regularien verkürzen in unserer Branche die Diskussion. Wir gehen so hoch mit der Flexibilität, wie wir im rechtlichen Rahmen können. Wir wollen aber auch Transparenz schaffen, warum Einzelne wie z.B. Grenzgänger nicht mehr Zeit im Home­office arbeiten können, und hoffen natürlich, dass sich die benachbarten Länder in der nahen Zukunft auch politisch auf besser integrierte Lösungen für grenzüberschrei­tendes Homeoffice einigen können.

Matthias Oberholzer

Global Head Human Resources, LGT Private Banking

Die geografische Situation sowie die hervorragende Abdeckung durch den öffentlichen Verkehr werfen zum anderen die Frage auf, ob die Zeitersparnis durch den Wegfall des Pendelns zum regulären Arbeitsort in der Schweiz weniger ins Gewicht fällt. Im Allgemeinen würden wir dies eher verneinen, weisen doch die verfügbaren Statistiken nur einen minimalen Unterschied beim durch­schnittlichen Arbeitsweg in beiden Ländern auf. Manche unserer Schweizer Gesprächspartner:innen erwähnten jedoch, dass die meisten Mitarbeitenden in der direkten Umgebung wohnten – und damit die eingesparte «Pendelzeit» tatsächlich kaum interessiere. Einige betonten auch den starken Standort­bezug, den gerade Schweizer Traditionsunternehmen mit einer lokalen Verankerung pflegen. Das Wort «Ort» hat für solche Unternehmen nochmals eine andere, tiefergehende Bedeutung.

Viele Mitarbeitende sind in der Region stark verwurzelt, wohnen ganz in der Nähe. Effizienz durch Wegfall des Arbeitsweges spielt bei uns kaum eine Rolle.

Sandro Burkhardt

HR Lead Custom Manufacturing, CABB AG

Die komplette Studie lesen

Dieser Artikel ist ein überarbeiteter Auszug aus unserer «Swiss Edition» zur Studie „Wie jetzt führen? Warum mobile Arbeit Führung neu formt.“ Die gesamte «Swiss Edition» gibt es hier zum kostenlosen Download:

Kostenloser Download der „Swiss Edition“

Wie jetzt führen? Warum mobile Arbeit Führung neu formt.

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