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Nachfolge in Familienunternehmen

Aus Tradition konfliktbehaftet

  • Nele Pröpper
  • Andreas Oertli
  • Mittwoch, 27. September 2023
Aus Tradition konfliktbehaftet

Wer kommt als mein Nachfolger in Frage? Soll das Unternehmen zwingend in Familienhand bleiben? Oder wäre auch eine Fremdgeschäftsführung oder gar ein Verkauf eine Option? In einem Familienunternehmen ist es nicht so leicht eine Antwort zu finden – vor allem, wenn alle Beteiligten eine andere Antwort für richtig halten.

Dieser Artikel

  1. beschreibt die Probleme vom Generationswechsel in Familienunternehmen
  2. zeigt, wie man sie besser versteht
    a. mithilfe der Akteursanalyse
    b. dem Konzept der „lokalen Rationalitäten“
  3. und macht einen Vorschlag, wie mit diesen Werkzeugen der Übergang erleichtert werden kann.

Hat mein Kind das Zeug zum Unternehmer?

Der Generationswechsel in einem Familienunternehmen stellt eine der komplexesten Herausforderungen dar, mit der sich Unternehmer und ihre Familienmitglieder auseinandersetzen müssen:

  1. Soll die Nachfolge intern passieren? Gibt es mehrere Kandidaten, die in Frage kommen?
  2. Vielleicht ist aber eine externe Führungsnachfolge besser – mit Familienmitgliedern im Aufsichtsrat?
  3. Oder ist gar die Zeit zum Verkauf gekommen?

Wer welche Antwort bevorzugt, darüber bestehen in der Regel feste Annahmen bei allen Beteiligten, die sich aber nicht unbedingt mit der individuellen Realität decken.

Wer hat welche Interessen? Einsatz der Akteursanalyse

Die Frage der Nachfolge wird in einem Geflecht von widersprüchlichen, oft gegensätzlichen Erwartungen und Bedürfnissen diskutiert. Die wirtschaftliche, unternehmerische Perspektive, findet sich gleichberechtigt neben zwischenmenschlichen Dynamiken wieder, neben den Erwartungen der Gesellschaft, die gegenüber Familienunternehmen durchaus anders sind als gegenüber etwa einem börsennotierten Unternehmen. Und alles wird überschattet, bzw. überstrahlt – (je nach Wahrnehmung) – von der Familientradition, die ihre ganz eigenen Erwartungen entwickeln kann.

Um innerhalb dieses Geflechts sinnvolle Entscheidungen zu treffen, bietet sich eine Akteursanalyse an. Sie ist ungemein wertvoll, um die Interessen, Erwartungen und Bedenken der involvierten Personen zu verstehen. Dabei gilt es nicht nur die offensichtlichen Akteure zu identifizieren, sondern auch die stillen Einflussnehmer zu erkennen, die im Hintergrund agieren und dennoch maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungsfindung haben können z.B. (Ehe-) Partner, Freunde, Berater, Peers, etc.

Zur Akteursanalyse gehört es, alle Akteursgruppen und ihre Interessen am Thema zu benennen. Mögliche Fragen könnten sein:

  1. Wer wünscht sich welche Form der Nachfolge?
  2. Wie wichtig ist dieser Wunsch?
  3. Welche Bedenken und Ängste stehen im Raum?
  4. Welche Einflussmöglichkeiten bestehen?
  5. Welche Gruppen agieren gemeinsam, welche stehen in Konflikt?

Personal

Der Faktor Mensch

„Lokale Rationalitäten“: Alle haben Recht

Nach dem Identifizieren der Akteure und ihren Interessen kann man sich ihren Beweggründen zuwenden. Das Konzept der lokalen Rationalitäten kann dabei helfen. Einfach ausgedrückt besagt es: Alle Menschen haben „gute Gründe“, so zu handeln, wie sie handeln. Das gilt entsprechend auch für die Akteure in einem Generationswechsel. Dabei gibt es ein Muster an Bewegungsgründen, die man immer wieder beobachten kann. Diese differieren entlang der Generationen.

Senioren

  1. finden sich in Abhängigkeit der aktuell im Unternehmen tätigen Familienmitglieder (NowGen)
  2. haben den Wunsch, noch gebraucht zu werden (z.B. als Ratgeber)
  3. haben ein Bedürfnis nach einem angenehmen Lebensabend

NowGen

  1. tragen die Verantwortung zur Gestaltung als Teil der Geschäftsführung
  2. verhandeln die unternehmerischen Ziele (z.B. mit Shareholdern)
  3. sind den Senioren und Kindern der Familie gegenüber als Versorger verpflichtet
  4. wollen sich den Werten und Traditionen gemäß verhalten
  5. gleichzeitig frei in der Gestaltung des Unternehmens sein

NextGen

  1. haben den Wunsch, in der Berufswahl frei zu sein
  2. sehen sich gleichzeitig mit der Erwartung der Familie konfrontiert
  3. haben Ausbildungen und Qualifikationen, die die Arbeit im Familienunternehmen naheliegend oder unwahrscheinlich machen
  4. bekommen Anreize für oder gegen den Eintritt ins Unternehmen (z.B. durch ihr soziales Umfeld)

Solche Allgemeinaussagen können aber nur der Anfang der Suche nach den jeweils spezifischen lokalen Rationalitäten sein. Je nach Familie und Unternehmen werden diese anders ausfallen.

Es geht darum die Bedürfnisse, Wünsche, und subjektiv empfundenen Zwänge der einzelnen Familienmitglieder transparent und im Familienkreis besprechbar zu machen: welche (Erwartungs-)Strukturen prägen wie ihr Verhalten? Wer erwartet was von wem und warum? Der diskursive Austausch von Positionen und das Austragen von möglichen Konflikten bildet die Grundlage für gegenseitige Verständigung und das Treffen gemeinsamer, belastbarer Entscheidungen.

Formale Strukturen

Über Stolz und Scham in Organisationen

Sachlichkeit erreichen

„Du konntest schon als Kind dein Zimmer nicht ordentlich halten, wie sollst du denn ein Unternehmen führen?!“ Mit dem Satz schloss ein Senior die Einschätzungen der Qualifikationen seines Sohnes zur Nachfolge ab. Ein sachliches Abwägen von Fürs und Widers sieht anders aus. Das Vermischen von Rollen ist ein Phänomen, das in Familienunternehmen immer wieder zu beobachten ist. Die gemeinsame private Geschichte wird zum Referenzrahmen für formale Entscheidungen.

Um sachlich zu bleiben und die Rolle der Personen einen Moment zurückzustellen, lohnt sich ein moderierter Diskurs. Im beschriebenen Fall stellte sich heraus, dass der 65jährige Vater Sorge um den Fortbestand des Unternehmens hatte; seinem Versprechen gegenüber den Angestellten, dass die Arbeitsplätze sicher sind, sowie der Sicherung seiner Altersvorsorge. Der Unternehmer hielt seinen Sohn nur für bedingt nachfolgefähig. Aber, da es keine klaren Qualifikationsanforderungen gab, fehlte der Referenzpunkt für eine Entscheidung.

Wie kann eine Moderation einen emotionalen Nachfolgekonflikt glätten und Verständigungsbarrieren überwinden?

  1. Zunächst geht es um die Versachlichung der Diskussion. Ziel ist es, dass jeder Akteur seine Position für die anderen Parteien nachvollziehbar darlegt und erklärt. Mögliche Widersprüche – die in der Logik der anderen Akteure wahrgenommen werden – müssen geklärt werden. Wichtig: es geht an dieser Stelle nicht um ein gegenseitiges Überzeugen.
  2. Im nächsten Schritt können gemeinsame Handlungsspielräume diskutiert werden. Wichtig: Dabei kann es auch ein gutes Ergebnis sein, sich nicht zu einigen.
  3. Die dabei entstehende Transparenz erleichtert es den Familienmitgliedern, auf ihre Argumente jeweils einzugehen. Die jeweiligen Ideen, Erwartungen und Werte lassen sich über Zeit offenlegen und in ein gemeinsames Verständnis für die Zukunft des Unternehmens überführen.
Autor:innen

Nele Pröpper

ist der Überzeugung, dass jeder Mensch gute Gründe für sein Handeln hat und mit dem Verständnis dafür die Grundlage für produktive Arbeit gelegt ist.

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Andreas Oertli

Andreas Oertli

hat die Erfahrung gemacht, dass man mit wohlwollender Hartnäckigkeit die wesentlichen Antworten auf die richtigen Fragen finden wird.

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