Es ist ein häufig zu beobachtendes Phänomen: Selbst die abgeklärtesten Manager*innen reagieren voller Begeisterung und ohne reflektive Distanz, wenn sie über die Managementmode sprechen, die in ihren jeweiligen Organisationen gerade en vogue ist.
Dabei erklären dieselben Personen in anderen Kontexten schnell und abgeklärt, wie begrenzt die Erklärungs- und Steuerungskraft anderer Managementmaßnahmen ist.
Man kann fast zu dem Eindruck kommen, dass immer nur der jeweils selbst genutzten Managementmode ein gestaltendes Potential zugeschrieben wird, andere dagegen pauschal als unwirksam beschrieben werden – und zwar unabhängig davon, wie valide, gut begründet oder praxistauglich die jeweiligen Ansätze sind. Doch warum ist das so? Ich will versuchen, zumindest ein wesentliches Argument für seine Erklärung hier darzustellen.
Warum verhält sich, um es provokant zu formulieren, die Begeisterung für Managementmoden nahezu umgekehrt proportional zum empirischen Gehalt derselben?
Schlagworte wie Agilität, Loop Management oder Holokratie tauchen immer wieder auf der öffentlichen Bühne auf und werden oft von – öffentlich sehr gut positionierten – Protagonisten als das „neue große Ding“ gefeiert, das alle bisherigen Managementprobleme lösen soll. Noch drastischer werden die Managementmoden meistens mit der Prognose eingeführt, dass die Organisationen, die sie nicht übernehmen, den – in der Regel als disruptiv beschriebenen – Herausforderungen der Gegenwart nicht genügen und zwangsläufig untergehen werden.
Meistens erleben diese Moden dann einen kurzen, aber sehen intensiven Hype, bevor sie an den komplexen Realitäten sozialer Organisationen scheitern – in Versatzstücken, Glaubenssätzen und Instagram- oder LinkedIn-Postings aber noch über viele Jahre als Wiedergänger auftauchen und die Diskussion so weiter prägen. Und so unterschiedlich diese Managementmoden und ihre jeweiligen Verfechter*innen auch sind, eines ist auffällig ähnlich: Das ist die nahezu evangelikale Überzeugung ihrer Protagonist*innen, dass mit genau dieser und ausschließlich dieser Methode der großen Durchbruch zu erreichen ist.
Diese Emotionalität, mit der über diese Führungsansätze gesprochen wird, ist aus meiner Sicht problematisch, da sie einen unaufgeregten Diskurs über Vor- und Nachteile des neuen Ansatzes verhindert. Denn die Emotionalisierung der Debatte über Managementmoden führt schnell zu einer binären Gegenüberstellung und Polarisierung der Ansätze, die pauschal als gut oder schlecht beurteilt werden. Dadurch werden dann diejenigen abgeschreckt, sich an einem rationalen Diskurs zu beteiligen, die nicht auf den ersten Blick von den neuen Ansätzen überzeugt sind.
Organisationsintern führt diese Emotionalität häufig zu einer allgemeineren Aufgeregtheit, die im Alltag eher schädlich als förderlich ist. Denn die Gefahr ist groß, dass sich innerhalb einer Organisation zwei Fronten bilden: Die Anhänger*innen einer neuen Managementmode, die eine möglichst buchstabengetreue Befolgung des neusten Ansatzes für unabdingbar für den Organisationserfolg halten, stehen den – meistens als altmodisch und gestrig geframten – Skeptiker*innen gegenüber, deren Kritik an der Managementmode allzu häufig ebenfalls von einer grundsätzlichen Ablehnung geprägt ist und damit bestehende Konflikte noch verstärkt.
Zwei Erklärungsansätze
Doch was ist der Hintergrund für diese Emotionalität in der Argumentation und Kommunikation von Managementmoden? Ich möchte zwei Erklärungsansätze vorbringen: Erstens handelt es sich dabei schlichtweg um eine Form des Marketings. Managementmoden entstehen nicht aus dem Nichts, sondern sind immer mit individuellen oder kollektiven Aufstiegsmöglichkeiten verbunden. Die Durchsetzung der Idee des agilen Managements führte beispielsweise zur Entstehung eines eigenen Berufsfeldes, der Agile Masters. Ganze Heerscharen von Beraterfirmen existieren und wirtschaften auf der Grundlage von Managementmoden, die sie einsetzen und umsetzen. Auch die ein oder andere Speaker-Karriere verdankt sich in erster Linie einer sehr gut kommunizierten Managementmode. Und auch innerhalb einer Organisation kann es vorteilhaft sein, sich als Expert*in einer bestimmten Managementmode zu positionieren, damit ein (wichtiges) Thema zu besetzen und auf diesem Weg die eigene Karriere voranzutreiben. Es gibt also ein erhebliches Eigeninteresse daran, Managementmoden möglichst prominent zu vertreten und mit einem Absolutheitsanspruch zu vertreten.
Zweitens, und inhaltlich komplexer, möchte ich als Erklärungsansatz auf ein Argument des polnischen Sozilogen Zygmunt Bauman verweisen. Bauman hat in unterschiedlichen Kontexten immer wieder betont, dass Menschen in einer zunehmend komplexer werdenden Welt, in der bestimmte Entwicklungen immer weniger kausal aufeinander beziehbar und greifbar werden, sich nicht mehr auf die großen Zusammenhänge konzentrieren, die sie ohnehin nicht beeinflussen können. Stattdessen fokussieren sie sich auf kleinere, konkret gestaltbare Elemente, auf die sie einen unmittelbaren Einfluss haben. Vereinfacht gesagt: Wenn ich schon die Umwelt nicht retten kann, kann ich zumindest meinen Vorgarten so perfekt wie möglich gestalten. Auch Armin Nassehi hat in seiner „Kritik der großen Geste“ die Tendenz beschrieben, dass sich gesellschaftliche Konflikte zunehmend auf den Bereich der Symbolpolitik verengen – nicht weil diese besonders bedeutsam sind, sondern weil die Symbolpolitik im Vergleich zu anderen interdependenten Politikfeldern noch beherrschbar erscheint.
Übertragen auf Organisationen bedeutet dies, dass aufmerksame Beobachter*innen sehr wohl erkennen, dass organisationale Probleme komplex sind, Organisationen mit einer Vielzahl von unauflösbaren Dilemmata zu tun haben und der gelingende Führung – frei nach Niklas Luhmann – unwahrscheinlich ist – eine reichlich deprimierende Erkenntnis.
Über die Reduktion von Komplexität
Doch anstatt sich vor diesem Hintergrund mit den kleinen Schritten einer inkrementellen Verbesserung zu begnügen, werden viele Manager*innen und externe Beobachter dazu verleitet, den „einfachen“ Lösungen der Managementmoden zu folgen. Managementmoden suggerieren also Klarheit in einer zunehmend unklaren und komplexen Welt. Um sich der Illusion von Klarheit und Eindeutigkeit hingeben zu können, muss man aber umso mehr an sie glauben. Der fast evangelikale Glaube an Managementmoden hat somit weniger damit zu tun, dass sie besonders wirkmächtig und erfolgreich sind. Vielmehr ist er eine Folge davon, dass sie Manager*innen helfen, die eigenen Unsicherheiten und Steuerungsschwierigkeiten auszuhalten. Wie Leitbilder zahlen sie auf Steuerungsphantasien von Manager*innen, aber auch Mitarbeitenden ein, die sich in der sozialen Realität so nicht realisieren lassen.
Ein weiterer Aspekt spielt hierbei eine wichtige Rolle: Managementmoden verbreiten sich nicht nur unter Manager*innen. Auch Mitarbeitende nehmen derartige Diskussionen wahr und führen die Moden aktiv in die internen Debatten ein. Auch sie verbinden damit die in der Regel unrealistische Hoffnung, dass durch die Einführung einer bestimmten Mode die Komplexität aus der Welt verschwindet.
Und wo ist das Problem?
Die hohe Emotionalität im Zusammenhang mit Managementmoden ist aus meiner Sicht insofern problematisch, dass mit (neuen) Managementmoden die Hoffnung verbunden wird, einfache Antworten auf komplexe Probleme zu erhalten. So positiv dies für die Beratungsindustrie, einzelne Mitarbeitende sowie die ursprünglichen Erfinder der Managementmoden auch sein mag, umso schädlicher ist der zu große Glaube an sie letztendlich für die Steuerungsfähigkeiten von Organisationen. Denn das Ergebnis dieser Hoffnung ist fast immer Enttäuschung, wenn die hohen Erwartungen an welche Managementmode auch immer an den komplexen Realitäten einer sozialen Organisation scheitern.
Was hilft in all dem Ungemach? In erster Linie ist das eine unaufgeregte Perspektive auf Managementmoden bzw. neue Führungsansätze und Ideen. Am Ende des Tages handelt es sich dabei um Deutungsangebote, die in bestimmten Konstellationen und bei bestimmten Führungstypen positive Effekte entfalten können, dies aber nicht zwangsläufig tun müssen. Dies zu wissen und entspannt zu reflektieren, hilft dabei, die Emotionen im Zaum zu halten und mit einem gewissen Abstand auf die hitzigen Debatten zu blicken, die unseren Alltag in den Organisationen prägen.