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Herausforderung Co-Leadership

Führung im Tandem: Wie kann das gelingen?

  • Stefanie Junghans
  • Janina Schönitz
  • Dienstag, 23. Januar 2024

Co-Leadership-Modelle werden bekannter, sind aber noch immer exotische Ausnahmen in der Organisationswelt. Mit welchen Fragen und Vorurteilen muss man in Umfeldern rechnen, in denen Führen im Tandem noch neu ist? Und wie kann man diese klug beantworten?

„In meiner Organisation würde das niemals möglich sein“ ist noch immer ein typischer Gedanke, wenn Führungskräfte mit einem Co-Leadership-Modell in Berührung kommen. Die Idee wirkt zu ungewöhnlich, die Verhältnisse zu traditionell sortiert, um dieses Konzept von Job-Sharing direkt auf Führungsebene anzuwenden.

Die Herausforderungen sind dabei immer ganz ähnlich gelagert: Es gibt wiederkehrende Fragen der Organisation, die vorher beantwortet werden sollten. Und es gibt einige Vorurteile, die entkräftet werden müssen. Beides sind lösbare Aufgaben – wenn man gut vorbereitet ist.

Co-Leadership-Tandems können sich auf verschiedene Weise bilden. Mal gibt es im kollegialen Umfeld bereits die Person, mit der man ohnehin schon eng zusammenarbeitet. Mal finden sich zwei Interessierte im Netzwerk und bewerben sich gemeinsam. Es kann sich auch um eine offene Ausschreibung handeln – sowohl intern als auch extern – bei der eine Position mit zwei Menschen besetzt wird.

Welche Fragen muss sich ein Tandem stellen?

Hat sich ein Tandem gefunden, muss das Co-Leadership Modell auf die Bedürfnisse und die Position ausgerichtet werden. Folgende Fragen sollten vom Tandem geklärt werden:

  • Welche gemeinsamen Werte tragen uns? Was ist mir wichtig bei einer vertrauensvollen Zusammenarbeit?
  • Welche individuellen Kompetenzen bringen die Partner:innen mit? Hierbei hilft ein Blick auf individuelle Erfahrungen, Kompetenzen und Fähigkeiten sowie auf die „Schnittmenge“. Was können beide gut und wo kann man sich gegenseitig kompensieren, unterstützen und komplementieren?
  • Was ist unser gemeinsames Verständnis der Arbeit und der Rolle? Wie beschreiben wir unser Führungsverständnis? Wodurch zeichnet sich gute Führung für mich aus und welche Erfahrungen habe ich damit gemacht?

Führungsverständnis

Wieso „dienend führen“ nicht funktionieren kann

  • Welcher Struktur folgt unser Modell? Welche Rahmenbedingungen liegen vor? Welche Arbeitszeit, Anwesenheiten und Erreichbarkeit können und möchten die beiden Partner:innen zur Verfügung stellen? Wie können Übergaben effizient gestaltet werden?
  • Wie werden Technik und Tools zur Abstimmung genutzt? Welche technischen Möglichkeiten gibt es im Unternehmen und welche Tools passen zu den Menschen? Geteilte Dokumente ermöglichen es synchron sowie asynchron an Projekten, Themen oder Konzepten zu arbeiten. Kollaborations- und Kommunikationstools unterstützen außerdem den Informationsfluss.
  • Wie soll das Modell nach innen und außen kommuniziert werden? Wer muss wie viel wissen und welche typischen Fragen werden diese Menschen haben? Je intensiver die Zusammenarbeit sein wird, desto mehr Details möchten Partner:innen, Mitarbeitende und Führungskräfte erhalten, um das Modell gut zu verstehen und Zuversicht zu gewinnen.

Mit welchen Fragen muss ein Tandem rechnen?

Hinter einigen Fragen steht Neugier, hinter anderen verstecken sich aber typische Vorurteile und Vorbehalte, die entkräftet werden müssen. Drei Fragen oder Annahmen kommen besonders häufig vor.

„Muss ich jetzt alles zwei Mal sagen?“

Die Sorge, dass ein Jobsharing-Modell zusätzlichen Aufwand und Komplexität verursacht, ist groß und oft durch Erfahrung begründet: Man kennt es schon aus kleineren Arbeitszusammenhängen: Je weiter verteilt die Verantwortung ist, desto unklarer ist die Zuständigkeit.

Soll das Tandem akzeptiert werden, muss zusätzlicher Aufwand oder Komplexität vermieden werden. Daher braucht es klare Kommunikationsregeln: Es muss für ein Team oder eine Abteilung reichen, nur einen Teil des Tandems zu informieren. Gleiches gilt umgekehrt: Die Entscheidung durch eine:n Co-Leader:in zählt als eine Entscheidung von beiden. Dass die Informationen fließen und Entscheidungen innerhalb des Tandems bekannt sind, ist Voraussetzung für erfolgreiche Arbeit.

Für den Informationsfluss in Richtung des Tandems kann die Einrichtung einer gemeinsamen Persona hilfreich sein: Also eine gemeinsame Emailadresse, Telefon-Nummer und Chataccount, der etwa mit einem Akronym beider Namen benannt ist. Wird hier eine Information hingegeben, gilt sie als im Tandem bekannt.

Der interne Informationsfluss kann sich einspielen: Die einen bevorzugen tägliche Telefonate, die anderen pflegen ein gemeinsames Arbeitsdokument, in dem Entscheidungen und wichtige Informationen festgehalten sind. Wichtig ist nur, dass die gewählte Form die befürchteten Nachteile in Vorteile kehrt: Statt Missverständnissen und doppelter Kommunikation gibt es erhöhte Erreichbarkeit, statt Zerfasern in Widersprüchlichkeiten gibt es schnellere und gleichzeitig sichere Entscheidungen.

Zur Entwicklung effektiver Kommunikation gehört schließlich auch die Dokumentation. Alle Entscheidungen über Zuständigkeiten, Erreichbarkeit, Kommunikation und Kanäle sind festzuhalten. Dadurch müssen alle Fragen, von „Wer führt Feedbackgespräche?“ bis zu „Wer unterschreibt den Urlaubsantrag?“, nur einmal gestellt werden. Die Dokumentation orientiert nun gleichermaßen das Tandem, als auch ihr Team.

Regeln effektiver Kommunikation

Du, ich glaube wir reden zu viel

„Macht ihr jetzt alles zu zweit?“

Diese Frage kann aus verschiedenen Bereichen der Organisation gestellt werden und kommt mit entsprechenden unterschiedlichen Vorzeichen.

Vorgesetzte, die diese Frage stellen, fragen damit manchmal: Habt Ihr jetzt Kapazität für doppelt so viele Aufträge?  An sich liegt die Frage nahe, doch da es sich bei einem Tandem-Modell üblicherweise nur um eine Rolle handelt (mit einer Abteilung, einer Budgetallokation usw.), ist dies eine mögliche Falle. Empfehlenswert ist daher, von Beginn an solche Annahmen abzumoderieren und deutlich darzustellen, dass es um geteilte, nicht verdoppelte Arbeit geht.

Zum Beispiel kann man in Meetings immer nur eine:n Tandempartner:in abstellen. Auch die Nutzung der „Persona“ hilft deutlich zu machen, dass zwar zwei Personen, aber nur eine Rolle adressiert wird.

Kommt die Frage aus dem Team oder der Abteilung, kann sie die Sorge von Ungleichgewicht in Gesprächen, vor allem vor doppelter Kritik ausdrücken. Wenn im Führungsdialog, Feedbackgespräch oder der Leistungseinschätzung zwei Gesprächspartner:innen (des Tandems) einem Mitarbeitenden gegenüber sitzen, ist das eins-zu-eins Gespräch nicht mehr ausgeglichen. Konstruktive Kritik, Lernfelder oder auch Lob kann überproportional wirken und eine Diskussion verhindern. Es gilt auch hier, klar zu prüfen, ob das Tandem gemeinsam oder einzeln auftritt. Je nach Teamdynamik eignet es sich oft Feedbackgespräche einzeln durchzuführen. Besonders wertvoll ist das Feedback eines Tandems, wenn es von beiden Partner:innen vorbereitet, gesammelt und formuliert wurde. So profitiert der/die Mitarbeitenden von zwei Perspektiven.

Unabhängig der Richtung, aus der die Frage kam, lohnt es sich, die Vorteile einer doppelten besetzten Rolle zu beschreiben. Die Antwort ist also: Ja, man arbeitet jetzt zu zweit. Aber nicht synchron, am gleichen Gegenstand. Sondern ergänzend. Daraus ergeben sich insbesondere zwei Vorteile:

Doppelte Expertise und Perspektive. Die Tandempartner:innen bringen zwei Erfahrungswelten, Skillsets und Perspektiven mit. Das Team, die Aufgaben und das Unternehmen profitierten von dieser Power. Ein Blick in die Praxis zeigt, dass Entscheidungen von Tandems gut abgewogen und reflektiert sind, gleichzeitig aber sehr schnell und konsequent getroffen werden.

Zwei Mal persönliche Beziehungen und Netzwerke. Kritische Stakeholder „mitnehmen“, mögliche Kritiker:innen frühzeitig begegnen, Kolleg:innen der betroffenen Abteilung befragen oder Verbündete suchen – Projekte und Initiativen gelingen heute vor allem durch gute Beziehungs- und Stakeholderpflege. Hier bringt das Tandem die doppelte Vernetzung und Variabilität mit.

„Ist ein Tandem-Modell überhaupt produktiv?“

Auf die Frage kann man sich ganz sicher einstellen. Sie fällt in der Anbahnungsphase, wenn man in der Organisation klärt, ob ein Co-Leadership-Modell überhaupt umsetzbar sei. Auf diese Frage gibt es verschiedene Antworten: Viele ergeben sich aus dem Selbstverständnis des Tandems, wenn es für sich auf die oben genannten Fragen Antworten gefunden hat.

Wo das nicht reicht, liefert auch ein Blick in die aktuelle Forschung Argumente. Die Hochschule Heilbronn hat in einer Befragung unter Tandem-Führungskräften ermittelt, dass die Produktivität steigt oder gleich bleibt. 70 % der Befragten sehen ein Tandem als innovativer, 80 % sehen ein Tandem als kompetenter an als eine Einzelperson in Vollzeit.

Wenn es um die Kosten eines Führungstandems geht, ist der Vergleich eines Unternehmens zu oft der zwischen dem Tandem, und einer Einzelperson in Vollzeit. Doch setzt der Vergleich voraus, dass eine Einzelperson mit gleichen Kompetenzen zur Verfügung steht – und auf der Stelle bleiben wird. Nicht selten sind Führungspositionen aber vakant, weil sich niemand alleine der mit ihnen verbundenen Belastung aussetzen will – oder sie müssen wieder und wieder neu besetzt werden, aus ähnlichen Gründen. Tandem-Modelle sind noch neu, doch erweisen sich in mehr und mehr Unternehmen als ausfallsicherer und stabiler als Einzelmodelle. Es hat sich gezeigt, dass ein Tandem zu niedrigeren Fluktuationskosten und zur Erhaltung von wichtigem betrieblichem Know-how führt. Deshalb stellt das Co-Leadership-Modell vor allem langfristig keine „Ressourcenfalle“ dar. Im Gegenteil: Befragte schätzten die langfristigen Kosteneinsparungen auf rund 26 %.

Insgesamt zeigt die Analyse, dass die vermeintlich höheren Kosten von Co-Leadership-Modellen durch langfristige Einsparungen und eine gesteigerte Effizienz mehr als aufgewogen werden. Unternehmen sollten einen holistischen Blick auf die Investition in Co-Leadership werfen und nicht nur die unmittelbaren Personalkosten berücksichtigen, sondern auch die langfristigen Vorteile in Betracht ziehen.

Fazit: Wieso Co-Leadership?

Co-Leadership ist ein vielfältiges Konzept für mehr Arbeitsmodell-Flexibilisierung. Arbeitnehmer:innen, die im Jobsharing tätig sind, berichten von gesteigerter Zufriedenheit, insbesondere aufgrund ihrer zeitlichen Flexibilität. Zudem profitieren sie von einem regen Austausch, wertvollem Feedback und gegenseitigem Lernen mit ihren Tandempartner:innen. Für Unternehmen bietet Jobsharing einen Weg flexible Modelle anzubieten, Talente zu gewinnen und zu binden sowie von perspektivenreichen Entscheidungen zu profitieren.

Bei Co-Leadership und Jobsharing gilt wie bei allem: die Modelle sind individuell an Menschen und Unternehmen anzupassen. Es gibt kein „One fits all“. Mit schrittweisen Experimenten, Iteration und Feedback kann ein Modell geschaffen werden, dass sich an den individuellen Bedürfnissen der Tandems sowie der Organisationen anpasst.

Über das Buch

In ihrem neuen Buch „Co-Leadership“ bringen Stefanie Junghans und Janina Schönitz Klarheit und Orientierung in das viel diskutierte Thema. Die beiden Autorinnen sind bei ihrem jeweiligen Arbeitgeber im Co-Leadership-Tandem tätig und sprechen auf Veranstaltungen über neue Arbeitsmodelle. Das Buch richtet sich an Unternehmen, Arbeitnehmer:innen und alle, die sich dem Thema Co-Leadership nähern möchten.

Mehr Informationen beim Vahlen-Verlag

Co-Leadership: Jobsharing als Antwort auf eine veränderte Arbeitswelt

Die Autorinnen

Stefanie Junghans

ist Head of
Talent bei Haniel. Nebenberuflich ist Stefanie Junghans systemische Organisationsentwicklerin, Beraterin und Coach für Unternehmen und Führungskräfte: Sie unterstützt bei der Implementierung neuer Arbeitsmodelle und der Einführung von Co-Leadership.

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Janina Schönitz

Janina Schönitz ist Head of
Strategy & Reporting Sustainability
and Environment bei der Deutschen
Bahn.
Nebenberuflich gründete Janina Schönitz die Beratung „Knallkrebs & Grundel”: Sie begleitet Menschen,
Teams und Unternehmen auf dem
Weg zu Neuer Arbeit.

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