Der deutsche Maschinenbau hat die Weltmärkte dominiert, technologisch und vertrieblich. Diese Zeiten sind vorbei. Kenner der Branche erinnern sich an den Untergang der deutschen Unterhaltungselektronik mit Namen wie Loewe, Grundig und Telefunken.
Es muss sich etwas ändern. Das ist allen klar. In vertraulichen Gesprächen gestehen Maschinenbauer ein: Die Konkurrenz aus China ist 30% billiger, braucht nur halb so lang für die Entwicklung und ist dabei nur 5% schlechter. Deshalb müssen Dinge anders werden, sagten unsere Gesprächspartner. Aber nicht vollständig anders.
- Sales muss aktiver sein.
- IT-Systembrüche müssen reduziert werden.
- Im Projektmanagement gibt es zu viele Reibungsverluste.
- Neue Forschungsergebnisse müssen schneller und stärker die eigene R&D informieren.
Das ist alles nötig. Aber wird das reichen, und ist es mehr als operative Hektik? Da ist vor allem die Routine des Maschinenbauers am Werk, der noch in die alte Werkzeugkiste greift. Nur packen die Schlüssel nicht mehr. Da reicht auch nicht eine Nummer größer oder kleiner, wenn man das Problem schon rund gearbeitet hat.
Neue Probleme – aber nur alte Lösungen
Unserem Erleben nach weiß man das auch im Maschinenbau. Man will es anders machen, ist aber immer noch auf der Suche nach einem Ausweg. Aber die Strukturen sind für alte Probleme gebaut. Sie bieten alte Lösungen.
Die alte Werkzeugkiste ist die Orientierung an technologischem Fortschritt und Innovation. Man dominiert den Markt, wenn man erster mit einer klugen Idee ist. Danach geht es um graduelle Vorteile: Schneller, sicherer, sparsamer. Und die Krone obendrauf: Rüttelarm und elegant.
Das neue Spitzenmodell wird zusammen mit dem langjährigen Lieblingskunden zu Ende entwickelt – schließlich lässt sich mit ihm technologisch träumen. Der ganze Innovationsprozess dauert 1-2 Jahre. Bevor man diese Maschine dann in den Export gibt, schichtet man auf ein Basismodell ab. Und wundert sich, dass die Entwicklungszeit zu lang und der Preis für den Exportmarkt hoch ist. Unser Eindruck ist, das geht an den Märkten vorbei.
Fazit: Viele der aktuellen Herausforderungen im Maschinenbau werden mit der Technologie-Orientierung verdeckt. Wie lange kann man sich das noch leisten?
Wie es anders gehen kann
Es kommt darauf an Denkräume zu schaffen, in denen neue Lösungen entstehen können. Mit unseren Gesprächspartnern haben wir drei zentrale Ansatzpunkte herausgearbeitet. Eigentlich liegen diese auf der Hand, werfen aber neue Fragen auf:
1) Service als Innovationstreiber
Wenn einer nah an den Pain-Points der Kunden ist, dann der Service. Der Service kennt die Use-Cases, die Work-Arounds, die Aspekte der Maschine, die irrelevant sind, und welche vermisst werden. Er weiß wo die Maschine steht, kennt ihre Position im Prozess und sieht die Peripherie. Üblicherweise bleibt er aber außen vor. Service soll Umsatz generieren – nicht die Innovation treiben. Er arbeitet mit vollendeten Tatsachen und gibt Erkenntnisse allenfalls anlassbezogen weiter.
Wie könnte also ein servicegetriebener Innovationsprozess aussehen?
2) Regionalisierte Entwicklung für regionalisiertes Geschäft
Die Zeit ist vorbei, in denen Kunden weltweit deutsche Technologie kaufen mussten, weil kein anderer sie beherrschte. Hersteller aus Asien bedienen die Anforderungen sowohl in ihren eigenen Märkten als auch in den Europäischen Märkten schneller und günstiger. Ein Weg damit umzugehen, ist die Regionalisierung der Organisation. Man entwickelt in regionalen Märkten für die Kunden vor Ort. Das betrifft nicht nur die Entwicklung, sondern ebenso Beschaffung, Fertigung, Service und Vertrieb.
Die neue Frage, die sich dann stellt: Welche Rolle spielt in einer regionalisierten Organisation die Zentrale in Deutschland?
3) B2B Marketing mit Business Development im Lead
Traditionell ist R&D im Engineering-Prozess führend. Man startet mit der Mechanik, dann kommt die Elektrotechnik und am Ende wird die Steuerung programmiert. Manchmal ist R&D mit Product Management verbündet. Sales vertritt Einzelkunden und muss dann die Technologie in den Markt drücken: technologische Ideallösungen stehen im Vordergrund.
Diese Orientierung ist Teil der DNA vieler Maschinenbau-Unternehmen. Sie nimmt ihren Anfang mit einem Gründer, der die eine geniale Idee hatte. Deswegen ist es so schmerzhaft, sich von der so tief in der Substanz verankerten Prämisse zu entfernen. Aber wer Kundenorientierung ernst nimmt, entmachtet R&D und übergibt die Führung im Innovationsprozess an Business Development und B2B Marketing. So gewinnt Markt- und Kundensicht an entscheidender Bedeutung. Business Development bildet die Klammer in einem cross-funktionalen Innovationsteam. R&D tritt in der Rolle zurück und liefert technologische Expertise.
Bleibt nur die Frage: Wie gewinnt man die Stakeholder im Maschinenbau für einen so massiven Umbau der DNA?
Lassen Sie uns neue Antworten finden
Folgt man den Vorschlägen, stellt man etablierte Verhältnisse in Frage. Deshalb geht diese Transformation nicht geräuschlos über die Bühne. Wir glauben, dass sich die Auseinandersetzung lohnt. Denn nur, wer sich darauf einlässt, produziert mehr als nur operative Hektik und alte Lösungen für neue Probleme. Oder glauben Sie weiterhin, dass die Antwort auf alle Kundenanforderungen in der Feinmechanik zu finden sind?