Es ist nicht einfach, der Kultur einer Organisation auf den Grund zu gehen. Kultur ist nicht entscheidbar, dadurch auch nicht gut besprechbar. Zum Glück liefert die Organisationssoziologie eine Heuristik, die hilft, den relevanten Phänomenen nachzugehen. Wir nennen sie die Suchscheinwerfer der Organisationskultur.
In dieser Reihe stellen wir diese Suchscheinwerfer vor. Dieser Artikel bespricht Cliquenbildung.
Auch wenn Organisationen formal festlegen, innerhalb welcher Kommunikationswege man sich bewegen kann, besteht ein gewisses Maß an Freiheit, die eigenen Kontakte zu wählen. Und selbst, wo man Kontakt pflegen muss, bleibt die Wahl: Schreibt man eine kurze Mail? Greift man zum Hörer? Oder geht man sogar kurz ins Büro und plaudert noch eine Weile? Diese Phänomene gibt es nicht nur bei einzelnen Kontakten – wir kennen alle diese Grüppchen in Organisationen, die eine vertrauensvollere Aura umgibt. Jenseits der formal festgelegten Begegnungen und abseits von formal erwartbaren Informationsständen entstehen in der Informalität „Gruppen besonderen Vertrauens“ (Luhmann 1995: 324). Sie bilden einen geschützten Raum, in dem man sich in besonderem Maße persönlich involviert.
Kollegin kann jede sein, Cliquen hingegen stehen nicht jedem Organisationsmitglied offen. Cliquen sind also keine losen Gruppen, sondern weisen einen besonderen Zusammenhalt auf. Denn davon leben sie: Man spielt sich Informationen zu, ermöglicht wechselseitig Karrierechancen oder nutzt den geschützten Raum, um dem Unmut über die eigene Organisation freien Lauf zu lassen und dafür Unterstützung zu erfahren.
Cliquenbildung: Entstehung kleinerer Gruppen besonderen
Vertrauens jenseits formaler Strukturen.
Besondere Gruppen bilden sich immer dort, „wo das Verhältnis zur formalen Organisation besonders distanziert und problematisch wird, wo man nicht unmittelbar nach der Berufsnorm lebt“ (Luhmann 1995: 324). Cliquen fangen die Spannung aus der formalen Situation auf und bieten Bahnen, die formal nicht möglich sind. Aber sie hängen auch an der formalen Organisation. Verlässt man die Organisation, würde man auch die Mitgliedschaft der Clique verlieren.
Welche Funktion erfüllt es für die Organisation?
Cliquen können unterschiedliche Funktionen erfüllen – im Wesentlichen unterscheidet man jedoch zwei: die Konversationsclique und die strategische Clique.
Im ersten Fall können sich Mitarbeitende in einer geschützten Runde kritisch äußern – so kritisch, wie es formal und selbst im Rahmen üblicher Kollegialitätsnormen nicht möglich wäre. Nach dem Meeting reflektiert man kritische Entscheidungen, lästert über die Gepflogenheiten von Chefinnen und Chefs oder bespricht gemeinsam die strategischen Leitplanken fürs nächste Jahr und heckt vielleicht schon einen Plan aus, sie zu umgehen. Kernfrage für so eine Clique: In welchen Gruppen bilden sich Meinungen über die Organisation aus?
In strategischen Cliquen wird die kollektive Energie mobilisiert. Den Einzelnen soll die Zugehörigkeit zur Clique als Vorteil dienen, weil man strategische Ziele gemeinsam besser verfolgen kann oder Informationsvorsprünge gewinnen kann. Man tauscht Gefälligkeiten in wichtigen Gremien oder spricht sich gut für das Fortkommen in der Hierarchieleiter aus. Mitglieder solcher Cliquen müssen aber auch Leistungen beitragen können. Manche Mitglieder werden sogar umworben, damit man sich ihre Qualitäten sichert. In solchen Cliquen bilden sich nicht selten auch Führungsstrukturen aus, damit man nach außen verhandlungsfähig ist: Die Interessen der Cliquen werden gebündelt vertreten. Die Leitfrage für solche Cliquen lautet: Welche Seilschaften lassen sich beobachten?
Welche Folgeprobleme bringt es mit sich?
Offensichtlich verfolgen insbesondere strategische Cliquen Ziele, die nicht allein an der Formal-struktur orientiert sind, sondern an den eigenen Interessen. Dabei können die Ziele der Organisation ins Hintertreffen geraten. Wechselseitige Karriereförderung mag für Einzelne ein Vorteil sein – dem formal festgelegten Karriereraster entsprechen sie jedoch nicht.
Und auch bei Konversationscliquen kann die (meist negativ gefärbte) Meinungsbildung über die eigene Organisation organisationale Vorhaben untergraben. Man denke nur an ambitionierte Veränderungsvorhaben, die von Grüppchen der Meinungsführenden schon vor ihrem Start zum Scheitern verurteilt werden.
Formal ergeben sich also offensichtliche Folgeprobleme – und auch für einzelne Mitglieder nicht selten spürbare Konsequenzen: Cliquen sind darauf angewiesen, informale Sanktionen zu verhängen, da ihr Zusammenschluss nicht formal legitimiert werden kann. Mitgliedern von strategischen Cliquen etwa, die keine Leistungen mehr bieten, werden Kontakte, Unterstützung oder die Vorteile der Zugehörigkeit versagt. Es wird intrigiert und gegebenenfalls gar gegen die Karrierepläne von ehemaligen Mitgliedern gearbeitet. So vorteilhaft eine Clique also sein kann, so schwierig ist der Ausschluss aus dem Verbund für Einzelne.
Diese Fragen sollte man sich stellen:
- Wer unterstützt sich dabei, eigene Interessen zu verfolgen?
- Welche Seilschaften lassen sich beobachten?
- In welchen Gruppen bilden sich Meinungen über die Organisation aus?
Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Whitepaper „Nagelt den Pudding an die Wand! Wie man die Kultur der eigenen Organisation analysiert, bespricht – und erfolgreich beeinflusst. Das ganze Whitepaper steht hier kostenlos zum Download bereit.