Dieser Artikel ist Teil einer Reihe, die das Management-Sachbuch Humanacrocy diskutiert. Den Kern von Humanocracy bilden sieben Prinzipien, die Orientierung geben sollen, wenn man Organisationen gestalten oder in ihnen handeln muss. Dieser Artikel befasst sich mit dem ersten Prinzip: Das Prinzip der Ownership.
In der Reihe erschienen:
- Wieso Humanocracy ein Buch ist, mit dem man sich auseinandersetzen sollte
- Das Prinzip des Marktes
- Das Prinzip der Meritokratie
- Das Prinzip der Gemeinschaft
- Das Prinzip der Offenheit
- Das Prinzip des Experimentierens
- Das Prinzip der Paradoxie
- Fazit: Ist Bürokratie der richtige Gegner?
Der Kerngedanke von Ownership
Laut Hamel und Zanini kommt es für Organisationen darauf an, dass ihre Mitglieder sich maximal mit den Kunden verbunden fühlen, Verantwortung übernehmen, gegenüber der Organisation und ihren Zielen committet sind und bereit sind, Risiken einzugehen und konventionelles Denken in Frage zu stellen. Diese Haltung sei vor allem in Start-Ups stark ausgeprägt, weil sich Mitglieder von Start-Ups wie Eigentümer fühlten (und es häufig ja auch sind).
In der Konsequenz sollten Organisationen ihre Mitglieder nicht als Arbeitnehmer:innen (Employees) behandeln, sondern als Unternehmer:innen (Entrepreneurs): „Every organization can become a confederation of owners and thereby catalyze the pride, passion, proficiency, and performance that are hallmarks of humanocracy“ (124). Erreichen lässt sich das, so Hamel/Zanini, indem man auf detaillierte KPIs verzichtet und stattdessen kleinen organisationalen Einheiten eine eigene P&L-Verantwortung überträgt und über alle Hierarchieebenen hinweg alle Mitarbeiter:innen am Gewinn beteiligt.
Unsere Überlegungen
Zunächst ist es plausibel, die Leistungsmotivation der Mitarbeiter:innen durch Gewinnbeteiligungen steigern zu wollen. In vielen Fällen könnte dies klappen. Gleichzeitig muss man aber auch sehen, dass Leistungsbereitschaft und Leistungswille sich nur in solchen Verhältnissen wirksam entfalten, in denen sich Leistungen auch tatsächlich erbringen lassen. Allzu häufig allerdings sind die Organisationsstrukturen nicht gut auf die alltäglichen Arbeitsanforderungen abgestimmt. Sieht man seinen Leistungswillen durch Organisationsstrukturen ausgebremst, dann steigt mit der Leistungsbereitschaft vor allem die Frustration.
Zwar lassen sich Organisationsstrukturen ändern. Dies wird aber zu einem schwierigen Unterfangen, wenn sehr kleine organisationale Einheiten eigene P&L-Verantwortung haben. Was für den einen eine Verbesserung darstellt, mag das Arbeiten für andere nur noch mühsamer machen. Darin liegt das Kernproblem einer radikalen P&L-Orientierung: Die individuelle Orientierung an der Maximierung der eigenen P&Ls führt nicht automatisch zu maximalem Profit für die Gesamtorganisation. Stattdessen werden ohnehin vorhandene „lokale Rationalitäten“[1] auf eine quantifizierbare Größe hin orientiert – mit dem Ergebnis, dass die Aushandlungen zwischen Organisationseinheiten verbissener geführt werden. Ownership ist daher nicht nur ein Katalysator für Stolz und Leidenschaft, sondern auch für organisationalen Ego-Zentrismus.
Wie es gehen könnte
Das Ziel, stärker als bisher auf Autonomie zu setzen und so Commitment und Engagement zu steigern, kann man beibehalten. Für das Erreichen dieses Ziels wird es aber darauf ankommen, gut funktionierende Organisationsstrukturen zu bauen. Dazu kann durchaus gehören, einzelnen – vielleicht sogar sehr kleinen – organisationalen Einheiten P&L-Verantwortung zu geben. Jedoch sollte man dabei die Nebenwirkungen mitdenken und blinde Flecke ausleuchten. Man müsste dann fragen: Welche Einheiten können vor allem dann einen wertvollen Beitrag für die Organisation leisten, wenn sie von P&L-Fragen entlastet sind? Dazu aber gilt es anzuerkennen, dass zum Beispiel die organisationsinterne Bewahrung von Fachkompetenzen einen eigenen Wert hat, der sich eher mittelbar und langfristig zeigt und von einer quartalsweisen Beobachtung von P&L-Beiträgen eher übersehen wird.
Literatur
[1] Cyert, Richard M. / March, James G. (1963): A Behavioral Theory of the Firm. New Jersey: Prentice-Hall. Seite 165.